Das Medizinrad

Alte Heilweisen neu entdeckt

© Sigrid Baust
6. Februar 2021 von Heilnetz-Beitrag

Wir befinden uns derzeit in einer anstrengenden Zeit, die jedoch jedeR auf ihre/seine ganz besondere Art und Weise erlebt. Damit wir jedoch nicht nur im Außen nach dem blicken, was andere machen, kann das Medizinrad helfen, nach innen zu schauen und wahrzunehmen, was in mir passiert.

In den meisten Naturvölkern gibt es das Bild der Räder und Kreise, des sogenannten „Medizinrades“. Das Medizinrad kann als ein Symbol angesehen werden, welches die ständig stattfindende Wandlung und die Verbundenheit mit allem darstellt. Dabei wird davon ausgegangen, dass alles beseelt ist: Die Mineralien, die Bäume, die Pflanzen usw. Der Mensch ist ein Teil dieser Schöpfung. Alles ist gleichwertig. So dürfen wir in dem Medizinrad ein kraftvolles und ein mächtiges Werkzeug erkennen, um Heilung zu erfahren und der eigenen Entwicklung Raum zu geben. Es kann z.B. bei der Beantwortung aktueller Fragen herangezogen werden.

Das Medizinrad ist durch acht Speichen in gleichgroße Flächen eingeteilt. Dabei besitzt jede Speiche ihre eigene Qualität und Stärke. Das Rad funktioniert nur in der Einheit ohne Anfang und ohne Ende, egal was sich darin befindet.

Wir haben uns insbesondere seit der Industriellen Revolution „die Erde untertan gemacht“ und dadurch immer mehr den Bezug zur Natur verloren. Heute sind wir sehr stark linear geprägt - meistens in Richtung höher, schneller, weiter. Um dieses Ziel zu erreichen wurden insbesondere in der Berufswelt viele Abläufe soweit optimiert, dass Menschen oftmals nur noch kleinste Fragmente eines großen Arbeitsablaufs bearbeiten und im Blick haben. Das geht bis in unser Gesundheitswesen hinein, in dem es viele Spezialisierungen gibt und wo letztendlich selten der Mensch als Ganzes gesehen wird. Dabei kann uns erst der Blick auf das große Ganze Verständnis für unsere „Herausforderungen“ schenken.

Das Medizinrad kann helfen, das eigene Handeln besser zu verstehen und Lösungen zu finden, es ersetzt bei Krankheit aber keinen Arztbesuch!

Von der Mitte ausgehend strahlt das Medizinrad, in alle Himmelsrichtungen. In der Mitte finden wir das Zentrum von allem - die Leere, das Nichts und das Alles, die Urenergie, die Schöpferkraft. Jeder Himmelrichtung - den vier Hauptachsen sowie den vier Nebenachsen - sind besondere Eigenschaften zugeordnet. Heute schreibe ich zunächst über die Hauptachsen. Diese beschäftigen sich mit den vier Elementen Feuer, Wasser, Erde und Luft. Wir alle tragen diese Elemente sowohl in physischer Form (Herzschlag, Körper/-Flüssigkeiten und Atem) als auch in einer nicht greifbaren Form wie z.B. Antrieb, Beharrlichkeit, Fühlen und Denken in unterschiedlichen Ausprägungen in uns.

Der Süden

Schauen wir zunächst in den Süden. Dieser beschreibt die Kraft des Elements Wasser, unsere Gefühle, die Welt der Pflanzen, das Geben, die Kinder, Unschuld und Vertrauen, die Mittagszeit. Wer mag kann sich diese Eigenschaften in einem Bild vorstellen. Jahreszeitlich befinden wir uns im Sommer.

Mir erscheint direkt folgendes Bild: In der Mitte des Bildes ist ein kleiner, ruhiger See, der mit Gebirgswasser gefüllt wird und an einer Stelle weiter ins Tal fließt. Die Sonne steht hoch am Firmament. Am Rand des Sees und des Flusses stehen Sträucher, Büsche und bunte Blumen. Kinder spielen, lachen, toben und weinen auch mal. Sie alle sind eins mit dem was ist - sie sind in Unschuld und Vertrauen. Wobei Unschuld und Vertrauen nicht mit Naivität gleichgesetzt werden kann, sondern es geht hier um ein Wissen darüber, dass es etwas gibt, was größer ist als wir. In diesem Vertrauen sind wir eingeladen, kraftvoll im Leben zu stehen und zu sein, wer man wirklich ist.

Der Süden symbolisiert die Welt unserer Gefühle. Wie häufig fühlen wir uns davon abgeschnitten? Anstatt unsere Gefühle wahrzunehmen und dementsprechend zu reagieren, halten wir sie fest. Doch so wie das Wasser immer in Bewegung ist - auch wenn es scheinbar ruhig ist -, so sind auch unsere Gefühle immer in Aktion. Sie kommen, werden groß und gehen wieder. Wenn diese Wellenbewegung zugelassen werden kann, sind die Gefühle im Gleichgewicht. Sehr schön kann dieses Kommen und Gehen bei Kindern beobachtet werden, was natürlich nicht immer einfach für das Umfeld ist. In der Erwachsenenwelt kommen die Gefühle oftmals nicht über die erste Stufe hinaus. Wenn sie anklopfen und von uns gefühlt werden möchten, drücken wir sie gerne direkt wieder weg - keine Zeit, mag nicht, tut weh, passt nicht usw.

Ich möchte auch noch einen Blick auf die Pflanzenwelt werfen. Die Pflanzen wachsen festverwurzelt in der Erde der Sonne entgegen. Sie holen sich das, was sie benötigen aus der Erde und aus dem Himmel und verschenken sich gleichzeitig durch das Geben ihrer Heilkraft an die Menschen und an die Tiere. Wir dürfen von ihnen lernen, dass auch wir gut für uns sorgen und auf unsere eigenen Bedürfnisse und Wünsche achten sollen. Wenn wir uns selber (jedeR für sich) fürsorgliche Eltern sind, brauchen wir die Befriedigung unserer Wünsche nicht in der Außenwelt suchen.

Impuls für den Süden:

  • Ich nehme mir täglich Zeit, meine Bedürfnisse zu erkennen, zu fühlen und diese zu gegebener Zeit zu befriedigen.

Der Norden

Unsere Reise führt uns jetzt im Uhrzeigersinn in den gegenüberliegenden Norden. Dieser steht für das Element Luft, für unseren Geist/Verstand, für die Welt der Tiere, für das Empfangen, für die Nacht. Jahreszeitlich befinden wir uns im Winter. Der Geist darf zur Ruhe kommen, denn nur dann kann er wirklich empfangen.

In der Kraft des Nordens zu sein bedeutet, Klarheit im Tun, Weisheit und einen gesunden Menschenverstand zu besitzen. Diese Eigenschaften des Nordens lehren uns die Tiere. Sie handeln instinktsicher und ohne Umschweife. Sie wägen nicht ab und überlegen hin und her, sondern werden - wenn sie entsprechendes empfangen haben - direkt aktiv. Wir allen haben bestimmt schon mal Tiere beobachtet, wie sie kurz ihre Ohren aufstellen, wenn sie etwas hören und dann direkt reagieren. Sie wissen, welches der nächste Schritt ist. Die Tiere kennen keine Zeit, sie sind immer im gegenwärtigen Augenblick.

Wir Menschen können viel von dieser Klarheit lernen. Viele Entspannungstrainings sind darauf ausgerichtet, unser Gedankenwirrwarr zu stoppen, was genauso schwer ist, wie die Luft mit den Händen einzufangen, weil wir selten im jetzigen Augenblick sind. Bei uns Menschen wirbeln häufig Gedanken wie ein kleiner Hurrikan durch den Kopf. Wir dürfen uns darin üben, immer mehr in gegenwärtigen Augenblick zu sein und mit einem offenen Geist zu empfangen, der darauf ausgerichtet ist, in Harmonie und Balance mit allem zu sein.

Impuls für den Norden

  • Ich spüre meinen Atem und achte bewusst auf meine Gedanken.

Der Westen

Im Westen beschäftigen wir uns mit dem Element Erde, mit unseren Körper, mit der Welt der Mineralien, der Kraft der Innenschau und Intuition sowie der Qualität des Haltens, es ist die Zeit des Sonnenuntergangs. Jahreszeitlich befinden wir uns im Herbst, von der

Um hier eine Vorstellung vom Halten zu bekommen, kann man sich einen Feuersalamander auf einem Fels in der Sonne vorstellen. Die Sonne hat die Steine aufgewärmt. Die Erde hält diese Wärme und gibt sie ab, wenn es erforderlich wird. Ein anderes Bild für die Wandlungskraft der Erde zeigt sich mir, wenn im Herbst das Laub die Erde bedeckt: Im Laufe der Zeit vermodert es, gibt der Erde seine Kraft als Dünger für die neuen Keimlinge, die bereits in der Erde warten, ab. Der Westen steht für die Stirb- und Werde-Prozesse, die ständig stattfinden - auch in unserem menschlichen Körper. Der Westen lädt uns ein, unserer Intuition zu vertrauen, damit wir den Augenblick erkennen, in dem die Wandlung geschehen kann. Der eigenen Intuition zu vertrauen, ist in einer Welt die voller Regeln und Normen ist, schwer geworden. Dennoch ist es für jeden einzelnen Heilungsweg wichtig, immer wieder nach innen zu schauen und mehr auf das eigene Körperwissen zu hören. Der menschliche Körper empfängt jeden Tag Energie, transformiert diese und gibt ab, was nicht mehr benötigt wird. Dabei ist es wichtig auf das rechte Maß zu achten. Man auch sagen: Jeden Tag erleben wir „kleine Tode“ um uns zu entfalten. Wenn wir uns diesem Prozess hingeben, erkennen wir Notwendigkeit der Veränderungen und des Wandels.

Hier möchte ich auch noch einen Gedanken zur jetzigen Zeit einfließen lassen: Wir haben über viele Jahrzehnte der Erde zu viel zugemutet und sie immer mehr ausgebeutet. Die Erde musste irgendwann die Notbremse ziehen, damit sie wieder Kraft tanken kann. Es wäre schön, wenn wir diese Pandemie als Chance für einen besseren Umgang mit Mutter Erde und mit unserem eigenen Körper erkennen.

Impuls für den Westen

  • Ich sorge gut für meinen Körper und lasse mich auf die immer wiederkehrenden Stirb- und Werde-Prozesse ein.

Der Osten

uletzt kommen wir zum Osten. Dieser steht für das Element Feuer, für unsere Seele, die Welt der Menschen und unsere Vergnügungen, für die Begeisterungsfähigkeit und das Bestimmen, der Morgen. Jahreszeitlich befinden wir uns im Frühling.

Der neue Tag liegt wie ein leeres Blatt vor uns. Die Sonne beendet das Dunkel der Nacht und bringt so wieder Helligkeit in unseren Tag. Ohne die Sonne wäre kein Leben auf der Erde möglich. Im übertragenen Sinn bedeutet dies, dass wir uns immer wieder leer machen dürfen, um unsere Visionen zu empfangen, um unsere Kreativität anzufeuern. Wir dürfen hier auch in unsere „Bestimmerqualität“ gehen. Wir dürfen entscheiden, wie unser Tagesblatt oder auch unser Lebensbuch gefüllt wird - im Einklang mit den Qualitäten der drei anderen Himmelsrichtungen.

Wir bekommen jeden Tag die Chance, Altes hinter uns zu lassen und den Tag neu zu gestalten. Hier können wir uns das Feuer vor Augen führen: Es lebt vom Vernichten und kann nur durch das Sterben der verbrennenden Substanz wirken.

Ein Bild, das fast alle Menschen immer wieder berührt, ist die aufgehende Sonne. So selbstverständlich, wie dieser Vorgang jeden Tag für uns ist, dürfen auch wir voller Vertrauen sein, dass wir geführt sind und manchmal sogar im übertragenen Sinne vom Blitz getroffen werden. Wir nennen das dann einen Geistesblitz, er kommt plötzlich und unerwartet, kann in uns ein „Wow“ auslösen oder auch nur ganz klein und unspektakulär sein. Wenn ich meine Schöpferkraft anerkenne, kann ich mit meiner Kreativität mein Leben bunt und unerschöpflich kreieren. Dabei gilt es darauf zu achten, keiner Illusion nachzuhängen, da diese schnell hoffnungslos macht.

Impuls für den Osten:

  • Ich ehre meine Talente und Gaben und bringe sie voller Kreativität und Freude zum Ausdruck.

Soweit diese Einführung in den ersten Teil des Medizinrades. Gerade in dieser schwierigen Zeit ist es wichtig, immer wieder mit sich selbst in Kontakt zu sein und nicht die eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Gefühle in die Außenwelt zu projizieren. Deshalb lade ich alle ein, sich täglich mit diesen vier Himmelrichtungen zu verbinden und ganz bewusst in die Kraft des Südens, Nordens, Westens und Ostens zu gehen und diese bewusst in das tägliche Leben zu integrieren. Dadurch kann schon viel Ausgewogenheit im täglichen Leben geschaffen werden.

Im zweiten Teil beschreibe ich dann die Zwischenhimmelsrichtungen Südost, Südwest, Nordwest und Nordost, sowie in einem dritten Teil Anwendungsmöglichkeiten in der Begleitung von Menschen, die ganzheitlich auf ihr Leben schauen möchten, um Muster zu erkennen.

Nächste Folge: Das Medizinrad Teil 2

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