Ein Plädoyer für einen Berufstand
Die Hexenverfolgung des 21. Jahrhunderts oder die Ausrottung der Heilpraktiker
Achtung! Heilpraktiker „können eine Gefahr für die Patientensicherheit sein“, so Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfahlen-Lippe. Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker zu möglichen Risiken und Nebenwirkungen, bevor Sie sich in die Hände eines Heilpraktikers begeben! So könnte der neue Slogan lauten, falls die Ausrottung des Berufstandes noch einige Zeit auf sich warten lässt!
Naturheilkunde: Ein etablierter Bereich der Medizin
Selbst wenn kein Aufschrei beim drohenden Berufsverbot der Heilpraktiker/innen durch die Massen geht, hat doch in der Bevölkerung schon seit vielen Jahren ein Umdenken begonnen. Die Naturheilkunde hat sich etabliert und ist mittlerweile nicht mehr aus den Köpfen der Menschen wegzudenken. Kaum eine Mutter, die nur das Beste für ihr Kind wünscht, würde ohne Not z.B. ein Antibiotikum o.ä. einsetzen, wenn eine pflanzliche Alternative ebenso wirksam ist.
Die Homöopathie, die Osteopathie, die Schüssler-Salze, die Bach-Blütentherapie oder ähnlich bekannte Naturheilverfahren haben sich unauslöschbar im Unterbewusstsein der mündigen Bürger verfestigt. Die zunehmend gesundheitsbewussteren Menschen möchten sich nicht mehr bevormunden lassen, sondern die Verantwortung für ihre Gesundheit in die eigenen Hände nehmen. Angeleitet, begleitet sowie gut informiert sein, um dann frei zu entscheiden, welchen Weg der Genesung sie einschlagen werden. Vorbei sind die Zeiten, der „Halbgötter“ in Weiß, die von oben herab den Menschen sagten, was sie zu tun und zu lassen haben. Zunehmend suchen gut informierte und mündige Patienten die Praxen auf. Sie wünschen sich medizinische Konzepte, die ihre Gesundheit unterstützen, Maßnahmen, deren Wirksamkeit sie nachvollziehen können und deren Sinn sie verstehen. Eine Medizin auf Augenhöhe, ist der Weg der Zukunft und sollte auch das Ziel der Ärzte und Heilpraktikern sein.
Heilpraktiker sind fester Bestandteil des Gesundheitssystems
Seit fast 80 Jahren hat sich der Beruf des Heilpraktikers und der Heilpraktikerin fest in der Gesellschaft verankert. Ein Berufstand, der sich mit 45000 niedergelassener Heilpraktiker allein in Deutschland großer Beliebtheit erfreut. Die Nachfrage schafft den Markt. Wenn es nicht eine Vielzahl von ganzheitlich orientieren Menschen gäbe, die sich mit Freude und Zuversicht in die Hände eines alternativ arbeitenden Behandlers begeben würde, dann hätten die Heilpraktiker/innen sicher nicht alle Hände voll zu tun.
Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass die Menschen freiwillig die ganzheitlichen Praxen aufsuchen und sich dort eigenmächtig für oder gegen die Angebote des Heilpraktikers entscheiden. Sowohl die Dauer, als auch das Ende einer Behandlung dort selbst bestimmen können. Dieser eigenverantwortliche Weg bringt selbstbestimmte Patienten hervor, die immer häufiger im althergebrachten Medizinwesen anecken. Doch wie mir scheint, ist eine solche eigenverantwortliche Entwicklung im klassisch hierarchischen System der Medizin unerwünscht und völlig an der Münsteraner Expertengruppe, die sich um die Medizin-Ethikerin Bettina Schöne-Seifert rankt, vorbeigerauscht. Das Wesentliche jedoch, das immer mehr Menschen in die Naturheilpraxen führt, sind die persönliche Zuwendung, das Gesehen- und Gehörtwerden, die Anteilnahme und das Fehlen von Zeitdruck. Vielleicht sollten gerade diese Aspekte ein Umdenken des Arztberufes anstoßen. Statt die „leidigen Konkurrenten“ auslöschen zu wollen, sollte es eher eine Reform in den eigenen Reihen bewirken.
Wohl des Patienten?
Wenn es wirklich um das Wohl des Patienten geht, das diese Diskussion angestoßen hat, die aus meiner Sicht einer Hexenjagt im 21. Jahrhundert gleicht, wem könnte dann die Abschaffung des Heilpraktikerberufes dienen? Sicher nicht den Hilfe- und Ratsuchenden, den alternativ medizinisch orientierten Menschen, den austherapierten und arztmüden Patienten. Einzig und allein würde die Abschaffung denen den Profit in die Taschen spielen, die nicht an der Genesung, sondern der „Krankhaltung“ der Menschen interessiert sind. Denen, die sich am anhaltenden Leid der Erkrankten letztlich bereichern möchten. Den mächtigen Systemen, die sich hinter den Gesundheitsfürsprecher verbergen.
Uneingeschränkt stimme ich der Aussage des Präsidenten vom Fachverband Deutscher Heilpraktiker, Christian Wilms zu. Er sagt, dass es mit dem Versuch der Ausrottung eines Berufstandes „ausschließlich darum geht unliebsame Konkurrenz loszuwerden.“ Es nicht im Sinne der Heilpraktiker/innen den Ärztemangel aufzufangen, denn sie sind keine Ärzte/innen und wollen auch keine sein. Ganz bewusst hebt sich ihr Tätigkeitsfeld von dem des Arztberufes ab. Heilpraktiker/innen möchten weder Ärzte kopieren, noch imitieren, sondern das Gesundheitssystem durch vielfältige, alternative und ganzheitliche Möglichkeiten ergänzen, unterstützen und bereichern.
Hinwendung statt Gegeneinander
Um die Kluft zwischen den beiden Berufsgruppen nicht noch größer werden zu lassen, ist sicher keine Abkehr, sondern eine Hinwendung erforderlich - ein aufeinander zubewegen - ein Austausch und eine Transparenz des Tuns. Unabdingbar für ein langfristiges Miteinander zwischen Ärzten und Heilpraktiker, sind die gegenseitige Achtung und der Respekt vor dem jeweiligen Tätigkeitsfeld des anderen. Nur so kann gemeinschaftlich zum Wohle des Patienten gearbeitet werden!
Anstoß um ein generelles Berufsverbot nahm die leidige Debatte, als in einer naturheilkundlichen Praxis in Brüggen im September 2016 drei Patienten starben, die sich dort an Krebs hatten behandeln lassen. Nicht zugelassene Präparate, um die es damals ging, rissen schlagartig die gesamte Naturheilkunde in Ungnade. Doch welcher Berufstand kann sich schon von „schwarzen Schafen“ freisprechen? In der Politik erleben wir Plagiatsvorwürfe und abgeschriebene Doktorarbeiten, in der Medizin arbeiten Ärzte ohne Approbation, Apotheker panschen Medikamente und in der Landwirtschaft vergiften Hühnerzüchter Eier. Vom Ärztepfusch ganz zu schweigen. Hier findet sich immer ein passender Teppich, unter den ein Behandlungsfehler gekehrt werden kann. Und so frage ich mich, ob sich das Fehlverhalten eines Menschen wirklich so nachhaltig auf einen gesamten Berufstand auswirken und seine Existenz infrage stellen darf.
Die Heilpraktikerausbildung: Qualität muss sein!
Eine Reform zur Qualitätssicherung der Heilpaktikerausbildung könnte durchaus angezeigt sein, so dass der Berufstand langfristig auch ein besseres medizinisches Standing erhalten kann. Entscheidend ist allerdings, dass wissenschaftlich belegte, neben alternativen Theorien und Verfahren weiterhin wertneutral vermittelt werden dürfen.
Die Grundausbildung, die in Heilpraktikerschulen durchgeführt wird und häufig erst auf dem zweiten oder dritten Bildungsweg erlernt wird, verschafft den angehenden Heilpraktikern eine Basis an medizinischen Grundkenntnissen. Die Erlaubniserklärung und die staatliche Anerkennung wird nach bestandener schriftlicher und mündlicher Prüfung, durch das zuständigen Gesundheitsamt erteilt und gestattet nun die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde. Doch allein die Grundausbildung macht einen Heilpraktiker noch nicht aus. In der Regel folgt eine anschließende, oft jahrelange Zusatzqualifikation. Sowohl die Ausbildung zur Homöopathie, zur Osteopathie, der Akupunktur oder anderer Therapieformen sind nicht an einem Tag gelernt. Sie fordert nicht nur die Lernbereitschaft, sondern auch das Portemonnaie des Therapeuten heraus und sichert ihm langfristig sein Einkommen. Durch diese Art der Zusatzqualifikationen findet bereits eine „Fachspezifizierung“ statt, die die Medizin - Ethikerin Bettina Schöne - Seifert im Münsteraner Memorandum einfordert.
Freiheit in jeder Hinsicht
Stellen Sie sich bitte einmal vor, es gäbe nur ein Buch zu lesen, alle anderen seinen wegen der Erweiterung des geistigen Horizontes verboten. Wie wäre es dann um die Vielfalt des Wissen, der Entscheidung und der persönlichen Entwicklung bestellt?
Um die Übel des 18. Jahrhunderts nicht noch einmal heraufzubeschwören, in denen andersdenkende, heilende und helfende Menschen verurteilt und hingerichtet wurden, bleibt uns nur ein akzeptierendes, tolerantes aufeinander zu bewegen, ein Miteinander im Gesundheitswesen, das das gelten lässt, was heilt!
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