Für einen anderen Umgang mit seelischem Schmerz
Heilnetz-Thema des Monats SCHMERZ
Mit unserem seelischen Schmerz pflegen wir ja einen ähnlichen Umgang wie mit dem körperlichen Schmerz: Seelischer Schmerz, der im lichten Gewand einer leichten Traurigkeit oder im schweren Brokat einer Depression daherkommen mag, erreicht uns – egal, wie er gekleidet ist – immer zur Unzeit.
Denn wir müssen und wollen doch: unserer Arbeit nachgehen, Hobbys pflegen, Freundschaften aufrechterhalten, den Alltag bewältigen. Und der Schmerz?
Oftmals ist die Firnis, mit der wir ihn bedeckt haben, so dünn, so zart, dass es nur ganz wenig braucht, um unseren Anstrich zum Bröckeln zu bringen. Die schlechten Gefühle aber wollen wir eigentlich nicht haben – lieber verstärken wir unsere Mauern, versuchen, uns eine dickere Haut zuzulegen, indem wir uns gleichgültig geben; und nur zu gerne lenken wir uns ab. Den Schmerz aber schieben wir beiseite wie ein Buch, das wir jetzt nicht lesen wollen. Später vielleicht einmal, wenn es zeitlich besser passt.
Schmerz verdunkelt die Welt
Doch wenn wir Pech (oder Glück?!) haben, kann es geschehen, dass durch einen gleichsam inneren alchemistischen Prozess aus lichter Seide schwerer Brokat wird. Und während die Sonnenstrahlen durch die Seide noch ihren Weg fanden, verdunkelt der schwere Stoff nun unsere Welt.
„Das Zahlensystem ist wie das Menschenleben“, läßt Peter Hoeg seine Heldin in dem wunderbaren Buch „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ erklären: „Zu Anfang hat man die natürlichen Zahlen. Das sind die ganzen und positiven. Die Zahlen des Kindes. Doch das Kind entdeckt die Sehnsucht. Und der mathematische Ausdruck für die Sehnsucht sind die negativen Zahlen. Die Formalisierung des Gefühls, dass einem etwas abgeht.“
Wenn wir der Komplexität des Lebens, auch unseres Innenlebens, gerecht werden wollen, dann brauchen wir – um bei diesem Vergleich zu bleiben – das komplette Zahlensystem. Wir brauchen die Brüche, die irrationalen und die imaginären Zahlen, so, wie wir auch Traurigkeit und Depressionen brauchen.
Oder – wie Ernst Pöppel und Beatrice Wagner in ihrem kleinen, aber feinen Buch „Traut euch zu denken“ sagen: „Wir sind weder dafür gemacht, ein andauerndes Unglück zu ertragen, noch dafür, andauernd glücklich zu sein. Zufriedenheit ist der Zustand, in dem wir leben können.“ Und Depressionen oder Gefühle des Unglücklichseins stellen demnach bereits einen Teil der Lösung dar; können sie uns doch signalisieren, dass wir etwas verändern sollten.
Vorausgesetzt, so möchte man hinzufügen, wir schieben sie nicht beiseite, sondern schauen sie uns an. Wir Glückssucher.
Ein Artikel von
Andrea Kornfeld
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