Populismus schadet allen

Gedanken zu Scharlatanerie

Foto: Lizenzfrei von Pixabay
12. November 2019 von Heilnetz Redaktionsteam

Sind sie zufällig ein Mensch? Was halten sie von der Aussage, dass Menschen prinzipiell grausam und gewaltbereit sind und dazu neigen, sich und andere per Amoklauf umzubringen?

Oder sind Sie vielleicht Ärztin? Wie gefällt Ihnen die Aussage, Ärzte seien grundsätzlich geldgierig und mehr daran interessiert, Privatpatient*innen zu behandeln als Kassenpatient*innen zu betreuen? Oder sind Sie Versicherungsmakler*in und mit der Behauptung konfrontiert, Sie würden Omas im Altersheim Hausratversicherungen verkaufen?

Halten Sie Smartphones für gefährlich, Facebook für eine Ausgeburt an Hate-Speech, den Spiegel für ein autorisiertes Wahrheitsverkündungsblatt, Gentechnik für Teufelszeug, Cortison für schädlich, Homöopathie für ein Allheilmittel, Impfungen für Pflicht?

Oder regen Sie sich hoffentlich gerade über diese Verallgemeinerungen auf, erst recht, wenn sich solche Aussagen über Ihre Berufsgruppe in den Medien wiederfinden…?

Viel Lärm um Falsches

Jeder Mensch, der sich bemüht, groben Verallgemeinerungen und medienwirksamem Populismus aus dem Weg zu gehen, mag in den letzten Monaten erstaunt, verärgert, erschrocken und irritiert gewesen sein über das, was in den Medien im Rahmen von Heilpraktiker-Bashing und Homöopathie-Feindlichkeit zu lesen, hören und sehen war – und zwar nicht in irgendwelchen Medien, sondern in der Zeit, der taz, der Welt, dem NDR und dem WDR. Es gab auffällig viele unwahre, offensichtlich ungeprüfte, voneinander abgeschriebene Behauptungen und Verallgemeinerungen auf Grundlage von Einzelfällen, die geeignet waren, einen ganzen Berufsstand und naturheilkundliche nachhaltig Therapieformen zu diskreditieren.

Zwei Dinge sind daran besonders schockierend: Die unsorgfältige Recherche einiger Journalist*innen in den öffentlich-rechtlichen Medien und großen Zeitungshäusern, die ein verzerrtes Bild des Heilpraktikerberufes in die Öffentlichkeit stellt und zweitens die Tatsache, dass es hier auf keinen Fall um das Wohl von Patient*innen gehen kann – denn die haben ihr Votum für den Heilpraktikerberuf und die Naturheilkunde bereits an verschiedener Stelle bekundet:

Würden Heilpraktiker*innen in der Breite schlecht arbeiten, gäbe es sie als Berufsstand mit täglich mehr als 100.000 Behandlungen bundesweit schon lange nicht mehr. Und da Heilpraktiker*innen ihre Patient*innen und Klient*innen nicht für desinformierte Dummköpfe halten, sondern für mündige und entwicklungsfähige Menschen, die bereit sind, ihren eigenen Gesundungsweg verantwortlich zu gehen, scheint das Bild, das in den Medien über die schlecht ausgebildeten, dummen, geldgierigen Heilpraktiker so verbreitet wird, doch ein arges Zerrbild zu sein.

Wahr oder unwahr?

Natürlich gibt es in den verschiedenen Berichterstattungen wahre Aspekte – so ist das Heilpraktikergesetz dringend überarbeitungsbedürftig, gleiches gilt für eine zu schaffende Ausbildungsverordnung, die Erstellung eines Kriterien-Kataloges zur regelmäßigen Überprüfung von Fachwissen sowie die Festlegung verbindlicher Weiterbildungskriterien.

Anmerkung: Was sich als nachzuvollziehende Forderung an dieser Stelle leicht liest, nämlich dass es bei den Überprüfungen auch um das Abfragen therapeutischen Wissens gehen sollte, greift tief in die DNA des Berufstandes ein – die hier geltende Therapiefreiheit, ist maßgeblicher Teil des Selbstverständnisses und des Erfolges. Heilpraktiker*innen arbeiten mit sehr unterschiedlichen Methoden, auch in Kombination verschiedener Art, sie sind eben nicht Homöopath*innen, Osteopath*innen, TCMler*innen oder Chiropraktiker*innen, sondern Heilpraktiker*innen mit sehr unterschiedlichen, nicht miteinander vergleichbaren methodischen und konzeptionellen Ansätzen. Wer also will therapeutisches Wissen in dieser Breite überprüfen? Das ginge nur, wenn neben den medizinischen Fachprüfer*innen (Amtsärzt*innen, HP) zusätzlich Fachvertreter*innen der jeweiligen Therapierichtung mit im Prüfungsausschuss säßen – allein das zu organisieren und zu vereinheitlichen ist eine schwer zu bewältigende Mammutaufgabe - diese anzugehen ist es nun Zeit, wie immer die Lösungen aussehen können.

Ein Grund, weshalb sich der Beruf so zur populistischen Verunglimpfung eignet, ist vielleicht genau diese mittlerweile seltene Ausübungs-Freiheit – der Beruf ist nicht gut auf einen griffigen Satz zu reduzieren und in einem System, das für jede Handreichung eine Dokumentationsziffer erfordert, schwer auszuhalten.

Journalist*innen, die darüber schreiben, sind meist aus Zeitgründen nicht in der Tiefe informiert, sondern eher in der Breite – das führt nicht nur bei diesem Thema zu Verkürzungen, die leicht populistisch nutzbar sind. Wenn dann noch der Vorwurf fehlender Wissenschaftlichkeit, wie in der Homöopathiedebatte geschehen, eine Rolle spielen, ist der Tagesaufmacher perfekt. Nur: Auch hier reihen sich Falschaussagen aneinander, die durch Wiederholungen nicht wahrer werden, siehe https://www.homoeopathie-online.info/australische-homoeopathie-studie-eine-taeuschung-der-oeffentlichkeit/ )

Die Panorama-Sendung aus dem Oktober 2019 bildet hier einen traurigen Verunglimpfungs-Höhepunkt – zum Glück hat hier das Netzwerk der Gesamtkonferenz der Heilpraktikerverbände klar und deutlich Stellung bezogen. Dieser Brief zeigt übrigens durch eine vollständige Auflistung die zahlreichen gesetzlichen Einschränkungen und Verpflichtungen des Heilpraktikerberufes - ein Blick dorthin sei allen ans Herz gelegt, die über den Beruf der Heilpraktiker zu schreiben gedenken: https://www.bdh-online.de/offener-brief-an-patrick-larscheid-vom-netzwerk-der-gesamtkonferenz-deutscher-heilpraktikerverbaende-und-fachgesellschaften/

Heilpraktikerverbände: Der Versuch einer Standesvertretung

Die Heilpraktikerverbände, in denen der größte Teil der praktizierenden Heilpraktiker organisiert sind, verpflichtet ihre Mitglieder auf die Einhaltung einer Berufsordnung, die zwar gesetzlich nicht bindend ist, aber für alle in Verbänden organisierte Heilpraktiker gilt.

Die bestehenden Heilpraktikerverbände (siehe Linkliste unten) arbeiten z. T. seit Jahrzehnten daran, den Berufsstand und seine Besonderheiten transparent zu machen und daran, die Mitglieder darin zu unterstützen, auf hohem medizinischen wie therapeutischen Niveau zu arbeiten. Leider sind die Berufsverbände in ihren Ausrichtungen und inhaltlichen Schwerpunkten ziemlich heterogen aufgestellt, so dass eine gemeinsame Ausrichtung nicht ganz leicht fällt – aber: Es wird darum gerungen, wie die Abschlusserklärung der letzten Gesamtkonferenz der HP-Verbände in Kassel zeigt: https://www.heilpraktikerverband.de/aktuelles/aktuelle-meldungen/520-gemeinsame-abschlusserklaerung-4-gesamtkonferenz-deutscher-heilpraktikerverbaende-und-fachgesellschaften.html

Wo aber Gefahr ist…

…wächst das Rettende auch – ein wunderbarer Satz von Friedrich Hölderlin, der in Zeiten wie diesen ermutigend wirkt und sich als wahr zeigt. Zum Glück.

Nicht nur, dass die Verbände sehr aktiv daran arbeiten, gemeinsam in Berlin darauf hinzuwirken, den Berufsstand, dem es an den Kragen gehen könnte, zu erhalten (https://www.presseportal.de/pm/69086/4428643). Auch andere Initiativen in den Bereichen Komplementärmedizin und Homöopathie helfen, Patient*innen und an Integrativer Medizin Interessierte aufmerksam zu machen, wie wichtig es ist, aktiv zu zeigen, was ihnen im Bereich Naturheilkunde wirklich wichtig ist.

Beispiele für solche Initiativen sind:

Nur gemeinsam heilsam

Die Polarisierung, die in allen Bereichen der Gesellschaft im Moment zu beobachten ist, hat auch die Medizin erreicht – und wie immer und überall sollten auch die extremen Haltungen gut gehört und nicht pauschal abgelehnt und verhöhnt werden. Würden wir lernen, einander zuzuhören, statt aus festen und unverrückbaren Konzepten heraus zu argumentieren, wären wir einen Schritt weiter. Runde Tische für alle, die betroffen sind: Ärzt*innen, Pflegepersonal, freie Gesundheitsberufler*innen, Wissenschaftler*innen – dahin muss die Reise in einer demokratischen Gesellschaft gehen. Ein Schelm, wer sich wünscht, alle Beteiligten würden regelmäßig die ein oder andere kinesiologische Entstressung zum Thema vornehmen…

Zum Glück gibt es genug Akteure, die genau das versuchen: miteinander ins gespräch zu kommen, konsensfähig zu werden, um große Themen so zu lösen, dass die Ergebnisse hilfreich sind für alle Beteiligten - ausgenommen derer, die ausschließloch in ihrem eigenen Ökonomie- und Machtinteresse handeln und nicht im sinne des größeren Ganzen.

Übrig bleibt dann nur noch die Frage: Wann findet das erste interdisziplinäre, deutschlandweite Symposium Menschenmedizin der Zukunft statt und wer lädt alle ein?
Vorschäge dazu gern an redaktion@heilnetz.de

Mehr im Heilnetz zum Thema:

Die Heilpraktikerverbände

Die aktuell aktiven Verbände (nicht genannt sind die jeweiligen Landesverbände):

Bund deutscher Heilpraktiker
www.bdh-online.de/

Bund deutscher Heilpraktiker und Naturheilkundiger e.V.
www.bdhn.de/index.php?id=index

Dachverband deutscher Heilpraktiker e.V.
ddh-online.de/

Die Heilpraktiker e.V.
www.DIE-HEILPRAKTIKER-ev.de

Fachverband deutscher Heilpraktiker
www.heilpraktiker.org/

Freier Verband deutscher Heilpraktiker e.V.
www.fvdh.de/

Heilpraktiker Berufsbund e.V.
www.heilpraktiker-berufs-bund.de/

Lachesis – Berufsverband für Heilpraktikerinnen
www.lachesis.de/

Union deutscher Heilpraktiker e.V.
www.udhbw.de/

Verband deutscher Heilpraktiker e.V.
www.vdh-heilpraktiker.de/

Verband unabhängiger Heilpraktiker
www.heilpraktikerverband.de/

Verbände für Heilpraktiker*innen Psychotherapie:

Verband freier Psychotherapeuten, Heilpraktiker für Psychotherapie und Psychologischer Berater e.V.
www.vfp.de/

Berufsverband der Therapeuten für Psychotherapie nach dem Heilpraktikergesetz e.V.
berufsverbandpsychotherapie.de/

Heilpraktiker-Fakten auf den Punkt

www.heilpraktiker-fakten.de/