Stress?

Das Trainingsbuch nach der Lotus-Strategie

18. Mai 2018 von Conny Dollbaum-Paulsen

Wer gestresst ist und ahnt, dass nicht ein neues Zeitmanagement die Lösung ist, hat mit diesem Buch den richtigen Griff getan. Die Autorinnen verknüpfen die Weisheit eines Franz von Assisi mit aktuellen Forschungsergebnissen aus der Neurobiologie, nutzen zusätzlich Aspekte u.a. aus der Transaktionsanalyse oder solche aus dem Achtsamkeitstraining, und haben durch eine sinnvolle Kombination dieser Theorien die sog. Lotus-Strategie entwickelt – und die hat es in sich.

Verschiedene Stresstypen

Ob ich eher zum Aufschieben neige, alles immer perfekt machen will oder mein Heil im Kümmern um andere suche: Ich gerate in Stress, wenn diese Mechanismen unbewusst wirksam sind und ich darin gefangen bin, dem Muster zu folgen. Der Clou im Buch: Die Lotus-Strategie basiert darauf, den eigenen Stress-Typen zunächst zu erkennen, das Muster zu verstehen und dann passgenau, verbunden mit dem individuellen persönlichen Hintergrund zu erkennen, wie die persönliche Stress-Spirale entsteht.

Es ist naheliegend, dass für eine Perfektionist*in andere Stressauslöser wirksam sind, als für eine Vermeider*in – und ebenso naheliegend ist es in der Lotus-Strategie, dass Patentrezepte, die für alle gültig sind, oft nicht hilfreich sind – sondern dass es darum geht, die tief in der eigenen Persönlichkeit angelegten Muster zu erkennen und damit zu arbeiten.

Gleiches gilt übrigens für den Umgang mit Zeit – auch hier gibt es nach neurologischer Forschung unterschiedliche „Zeit-Typen“, die in Korrespondenz mit den drei großen Gehirnarealen Stamm-, Zwischen- und Großhirn stehen.

Erkennen und annehmen was ist

Die Lotus-Strategie ist nicht durch Zauberhand wirksam, sondern u.a. dadurch, mit der Weisheit des Franz von Assisi die Stressoren zu betrachten, festzustellen, was veränderbar ist und was nicht. Tätig zu werden, wo es sich lohnt und gleichzeitig zu akzeptieren, dass Dinge manchmal auch so sind wie sie sind: Nicht zu ändern. Beides voneinander zu unterscheiden ist schwierig, aber mit der Lotus-Strategie nicht unmöglich.

Die eigenen Muster zu erkennen und damit freundlich aber bestimmt arbeiten zu wollen, ist die Basis der Lotus-Strategie, den Körper als somatischen Marker mit einzubeziehen, ist empfohlen, die Akzeptanz für Nicht-Veränderbares zu erweitern ist Grundbestandteil. Diese Aspekte werden von diversenTests und Übungen ergänzt, alles zusammen mündet in einen Trainingsplan, der auf aktuellen Erkenntnisse aus Neurobiologie und Stress-Forschung basiert.

Die Werkzeuge: Erstaunlich leicht umzusetzen

Ein Buch mit Hörübungen zu verknüpfen ist eine richtig gute Idee, vor allem wenn es darum geht, neue Verhaltensmuster zu trainieren. Denn ob wir Muskulatur trainieren oder neuen Bahnungen im Nervensystem schaffen wollen: beides braucht regelmäßiges Training. Da helfen die Hörübungen, die mit dem Smartphone angesteuert werden können, sehr.

Die verschiedenen Tests, die das individuelle Muster zeigen sind hilfreich, das Mindmapping als intuitive Methode, ein komplexes Thema (und das ist Stress ja auf jeden Fall) handhabbar zu machen: das alles hilft sehr. Das Buch wird ein treuer Begleiter auf dem Weg in deutlich stressfreiere Zonen. Nicht theoretisch, sondern praktisch.

Nur für Erwachsene

Ganz toll: Die Anleihen aus der Transaktionsanalyse, die deutlich machen, dass unser Stressverhalten aus aus kindlichen Grundmustern geformt ist, die wir so verinnerlicht haben, dasss wir den Mechanismus dahinter nicht erkennen können.

Die Autorinnen laden die Leser*innen ein, die stressverursachenden Muster mit erwachsenem, also analysierenden, distanzierten und freundlichen Blick zu erkennen – sie ermutigen dazu, den Blick auf real existierende, dem Erwachssenen zugängliche Ressourcen zu lenken. Viele kleine Tipps und Tricks ergänzen die eher umfangreichen Analyse-Übungen – das alles wird durch die Hörbeispiele, Checklisten und eine insgesamt aufgeräumte Struktur ergänzt.

Wer also gestresst ist und sich als ersten Schritt die Zeit nehmen will, den Ursachen auf die Spur zu kommen, ist gut bedient. Ob eine solches Selbst-Coaching per Buch insgesamt ohne coachende, beratende oder therapeutische Begleitung auskommt, ist eine Frage, die sich bei Ratgebern dieser Art immer wieder stellt.

Aber: Aller Anfang ist gut – und um mit einer bewussten Veränderung zu beginnen, ist das Trainingsbuch der Lotusstrategie gut geeignet.

P.S. Warum der Name Lotus-Strategie?

Wohl deshalb, weil der Lotusblüte eine Symbolik anhaftet, die im Buddhismus wie im Hinduismus eine Rolle bei der Entwicklung heiterer Gelassenheit angesichts des um uns herumtobenden Lebens spielt. Sie steht mit ihren Wurzeln auf schlammigem Grund und blüht an der klaren Wasseroberfläche. Die Lotusblütenblätter bilden ein Ganzes, unbeeindruckt vom schlammigen Grund. Diese sozusagen musterhaft resiliente Reaktion des Lotus nennen die Autorinnen den Abperleffekt – eine Umschreibung für ein bewusst gelebtes (Arbeits-)Leben, das nicht Gefahr droht, im Hamsterrad zu enden.

Eva Brandt
Miriam Fritsch-Kümpel
Stress?
Das Trainingsbuch nach der Lotus-Strategie

Campus Verlag

Die Autorinnen

Eva Brandt

Dr. Eva Brandt arbeitet seit über 20 Jahren als selbstständiger zertifizierter Business-Coach. Zusammen mit Miriam Fritsch-Kümpel gründete sie das Stresskompetenzzentrum in Wiesbaden.

Miriam Fritsch-Kümpel

Miriam Fritsch-Kümpel ist Psychologin und coacht Manager, Fach- und Führungskräfte. Zusammen mit Dr. Eva Brandt gründete sie das Stresskompetenzzentrum in Wiesbaden.