Werkstatt statt Methode
...die Idee von familiylab
1. Brauchen wir wirklich eine neue Erziehungsmethode, egal wie modern sie auch daherkommen mag?
(Beide lachen) Nein - aber familylab ist auch ausdrücklich keine Methode. Methoden verführen leicht dazu, Rezepte zu erlernen und diese dann eher stereotyp anzuwenden...dabei stellt sich meist sehr schnell heraus, dass für die schwierige Situation, die ich gerade jetzt erlebe, das Rezept irgendwie nicht passt...
2. Was ist familylab denn anderes als eine Methode?
LS: Wohl eher eine praktische Philosophie....es geht um vier Grundwerte, die eine wesentliche Rolle spielen:
- Gleichwürdigkeit,
- Authentizität,
- Integrität und
- persönliche Verantwortung.
3. Authentizität heißt in diesem Zusammenhang was?
LS: Dass ich als Vater oder Mutter deutlich sichtbar und fühlbar bin - dass meine Worte mit meinem Inneren korrespondieren, dass ich klar sage, wenn ich etwas nicht will oder, umgekehrt, wenn ich etwas will...
Kinder wollen nicht nur selbst erkannt werden, sondern sie wollen auch die Chance haben, ihr Gegenüber zu erkennen - als erstes natürlich ihre Eltern. Und sie können durchaus mit einem klaren "Nein" umgehen, über das nicht diskutiert werden muss.
4. Verantwortung übernehmen....das müssen wohl alle Eltern, oder? Was ist das Besondere daran?
LS: Es geht darum, sich der Verantwortung auch bei scheinbar kleinen Dingen bewusst zu werden...ich frage mich dann als Vater oder Mutter: Wie will ich diese Situation lösen? Und treffe eine Entscheidung, hinter der ich stehen kann und will, beispielsweise etwas zu verbieten, weil es mir so sinnvoll erscheint - z.B. das Nutellabrot zum Frühstück. Für diese Entscheidung trage ich die Verantwortung mit einem klaren "Das möchte ich nicht". Punkt!
Das kann manchmal dazu führen, dass ich nicht den Beliebtheitspreis bekomme..., aber darum geht es auch nicht. Vielmehr darum, als Eltern meine persönlichen Grenzen zu definieren und zu äußern, am besten in persönlicher Sprache („Ich will / nicht...“) anstatt den Kindern Grenzen zu setzen („Du darfst nicht...“).
Kinder und Erwachsenen sind gleichwürdig aber nicht gleichberechtigt, sie spielen nicht dieselbe Rolle in der Beziehung. Für ein Kleinkind muss ich Entscheidungen treffen, weil es sie noch nicht übersieht - und das muss mir bewusst sein.
Ein Beispiel für vermeintliche und echte Entscheidungsfreiheit???
Es ist Zeit, einkaufen zu gehen. Die Mutter fragt das 3-jährige Kind: Wollen wir jetzt einkaufen gehen?
Das Kind sagt: Och nöööö" worauf die Mutter antwortet "Dann ziehen wir jetzt mal die Jacke an..."
... Das Kind wird gefragt, aber kann nicht entscheiden - eine merkwürdige Botschaft, oder?
Klarer wäre: Wir müssen jetzt einkaufen gehen. Willst Du Deinen Rucksack mitnehmen für die Äpfel oder lieber nicht?
Hier kann das Kind den Rucksack nehmen oder nicht - eingekauft wird aber in jedem Fall.
4. Wieso heißt es bei Ihnen Gleichwürdigkeit statt des bekannten Gleichwertigen?
LS: Gleichwürdigkeit beschreibt die uneingeschränkte gleiche Würde aller Lebewesen - es geht hier ( nicht um Macht, um besser oder schlechter, sondern ) um Würde aus sich selbst, genau so, wie man oder frau oder kind ist.
Ein Kind kann niemals mehr oder weniger wert sein als ein anderes, oder?
Das viel benutzte Wort "Selbstvertrauen" geht immer von einem zu messenden Wert aus - und damit von Erfolg. Denn ohne Erfolg oder Misserfolg läßt sich Leistung ja gar nicht definieren.
Und genau darin liegt ein wesentlicher Unterschied:
Menschen, und damit auch Kinder, sind einander gleichwürdig - sie sind, unabhängig von irgendeiner Leistung, in ihrer Würde gleich und...unantastbar.
Diese innere Haltung verändert mich als Mutter oder Vater: Ich sehe die Würde und den Wert des Kindes und nicht die Leistung. Damit kann es ziemlich schräge Dinge anstellen - die auch entsprechend geklärt werden müssen, d.h. es folgt z.B. ein Gespräch über sein Verhalten („Mir gefällt nicht, dass...“), aber es verliert niemals seine eigene Würde. Und es kann niemals mehr oder weniger wert sein als ein anderes, da diese Kategorie einfach nicht für Lebewesen passt.
So können Handlungen durchaus falsch oder zumindest sehr fragwürdig sein, aber nie ein Mensch.
5. Auch das Wort "Selbstgefühl" klingt merkwürdig...ist nicht Ziel jeder Erziehung, ein gesundes Selbstwertgefühl zu entwickeln?
LS: (lachen) Ja, unbedingt! Selbst(wert)gefühl ist ein ganz wichtiger Begleiter für Kinder. Doch oft stärken wir Eltern mit unseren Äußerungen lediglich das Selbstvertrauen, und dabei geht es immer um Erfolg: Wenn ich etwas gut kann oder weiß, dass ich erfolgreich sein werde, kann ich ein gutes Selbstvertrauen entwickeln....und was passiert, wenn es nicht so ist????
Was ist, wenn ich etwas nicht gut kann, keinen Erfolg habe?
Ein Beispiel:
Ein Kind malt während es auf seine Mutter wartet, ein Bild.
Die Mutter kommt zurück, das Bild wird stolz präsentiert und von der Mutter mit den Worten kommentiert: Das hast du aber schön gemacht (Leistung). So eine schöne (= richtige) Sonne.
Tatsächlich ist dieses Bild aber vor allem ein Liebesbeweis, der sagt: Ich habe auf dich gewartet und jetzt möchte ich dir eine Freude machen und dir etwas schenken....
Und eine für das zu entwickelnde Selbstgefühl hilfreiche Antwort wäre: Ich freue mich so, dich wiederzusehen - schön, dass du da bist. Hast du etwas gemalt? Was denn?
Hier geht es um Anerkennung, nicht um Lob, das leicht schal wirkt...und oft nicht authentisch ist.
6. Woher kommt familylab?
Jesper Juul, der dänische Pädagoge und Schriftsteller, hat die grundsätzlichen Bausteine dazu entwickelt und in vielen seiner Bücher ausführlich dargestellt. Das Wort bedeutet eigentlich "Familienwerkstatt" und genau so ist es auch gemeint: Eine Familie werkelt in einem gemeinsamen Raum an den Familienwerten, an der Art, wie der Umgang sein soll, damit sich alle zu Hause fühlen können.
7. Was sagt der Praxistest?
(Lachen beide sehr freundlich...) Wir haben gemeinsam drei Söhne, sind eine klassische Patchworkfamilie mit allen Freuden und Leiden, die das so mit sich bringt - und können aus tiefstem Herzen sagen: die Familienwerkstatt hilft allen, freundlicher, gelassener, humorvoller, offener, liebevoller und vor allem mehr im Kontakt mit sich und dem gegenüber zu sein. Wir können nur Mut machen, sich mal vorsichtig zu nähern.
Die "LeichtSinns" arbeiten nicht nur mit Eltern und Familien, sondern auch in KiTAs oder Schulen - nicht, um die Kinder umzuerziehen oder zu richten...., da gibt es nach Jesper Juul nichts zu tun, sondern um den Erwachsenen Mut zu machen, authentisch und verantwortungsvolle Gegenüber zu sein, an und mit denen Kinder wachsen können. Für sie geht es beim Thema Erziehung vor allem um die Beziehung aller Beteiligten.
Familylab ist ein Prozess, eine Einladung zur innerem Wachstum, eine Kunst, eine Herausforderung mitten im Leben, mit Kindern, MitarbeiterInnen, PartnerInnen oder wem auch immer.
Sie haben Kinder????
Sie haben Lust auf mehr Leichtigkeit im Umgang mit sich und anderen?
Dann wäre ein Kontakt mit den "Leichtsinns" vielleicht ein gute Idee!
Teichstraße 15 a, 33615 Bielefeld
0521-9876918