Wellbeing in der Schule

Schule zum Wohlfühlen

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13. Juni 2024 von Conny Dollbaum-Paulsen

Es gibt Schulen, die regelmäßig nachfragen, wie es den Kindern, die dort unterrichtet werden, geht. Ob sie sich wohlfühlen, gut entspannen können...Da lautet die wichtigste Frage nicht: Was hast du denn heute in Mathe gelernt? sondern „Hattest du genug für Zeit und deine Bedürfnisse?

Diese Schulen gibt es in Skandinavien, Kanada, Estland oder Neuseeland - in diesen Ländern, die Pisa-mäßig quer durch alle Fächer und Altersgruppen ganz vorne mitmischen, ist Wellbeing nicht nur ein theoretisches Konzept, sondern Teil des Schulalttags.

Basiskompetenz Menschsein

Leistungsorientierte Schulen sind nicht mehr zeitgemäß – das ist ein gehaltvoller Satz, der viele Eltern, die sich darum sorgen, ob ihre Kinder dem gefühlt weltweit ausgeübten Leistungs- und Erfolgsgalopp gewachsen sind, verschrecken kann. Noch scheint es zumindest in Deutschland nämlich hauptsächlich darum zu gehen, Kinder und Jugendliche früh morgens in Klassenzimmer zu zwingen, in denen sie Dinge lernen, die sie nicht lernen wollen, um in einer Zukunft, von der kein Mensch weiß, wie diese aussehen wird, bestehen zu können. Always smart und Always-on – ein Horror-Szenarium, das jetzt schon dazu führt, dass mehr Kinder als je zuvor an chronischen, insbesondere psychischen oder psychiatrischen Erkrankungen leiden. Die Ergebnisse des Welt Happiness Report 2024, zeigen – Kindern und Jugendlichen in Deutschland geht es vom Gemüt her nicht so gut – kein Wunder, dass sie auch bei Pisa nicht gut abschneiden. Unser Schulsystem basiert in weiten Teilen nach wie vor auf einem Menschenbild des beginnenden 20sten Jahrhunderts, als es eine großartige und wunderbare Errungenschaft war, sich möglichst viel Wissen einzuverleiben.

Die Lebensrealität hat aber ganz neue Koordinaten: E-Scooter statt Dampflok, Smartphone statt Schiefertafel, Burger statt Rübeneintopf, Malediven statt Ferienfreizeit auf dem Land, Klima-Sorge statt Klassenkampf und so weiter – nichts ist mehr wie es war, nur die Schule bleibt langweilig, unsozial, seltsam blutleer und wenig lebenstauglich. Während Unternehmen beginnen, dafür zu sorgen, dass es Mitarbeiter:innen am Arbeitsplatz gut geht, sitzen Kinder in festgelegten Zeit-Slots auf unbequemen Holzstühlen und lernen mühsam Dinge von vorgestern auswendig, die zu erklären ChatGPT genau Sekunden braucht...

Damit geht es Kindern und Jugendlichen nicht gut, sie werden immer trauriger, hoffungsloser, dicker oder krankhaft dünner – natürlich nicht alle, aber viel zu viele.

Beispiele für Wellbeing in der Schule

Dabei geht es auch anders, wenn nämlich das Wohlergehen im Vordergrund steht und nicht das Leistungsdenken. Da überrascht es auch nicht, dass die kognitiven Leistungen signifikant besser werden, wenn die Kinder entspannter und zufriedener sind. Jeder Mensch weiß, wie gut ein ausgeschlafenes, nicht hungriges, wenig abgelenktes Gehirn denken kann. Wenn es sich dann noch mit dem Lieblingsthema beschäftigen darf...

Beispiele aus den genannten Ländern für sogenannte Wellbeing-Zonen sind

  • quite spaces in Bibliotheken und Klassenzimmern, in denen alle, die das wollen, zur Ruhe kommen und entspannen können

  • maker spaces in denen Menschen kreativ werden können

  • moving spaces für ganz verschiedene Formen der Bewegung und des Tobens wann immer einem danach ist

  • handyfreie Zonen, in denen Smartphones freiwillig verboten werden

  • andere Rhythmisierungen des Schulalltags, die den Lernkurven der Kinder und Jugendlichen besser entsprechen (zum Beispiel erst um 9 Uhr zu beginnen...)

Die Lehrpläne in diesen Ländern sind innovativ und total entschlackt von reiner Wissensvermittlung, soziale Kompetenz, Resilienz, Selbstregulierung und Selbstwirksamkeit sind als wesentliche Aspekte integriert, die als ebenso wichtig gewertet werden wie der Erwerb kognitiver Kompetenzen. So wird die Fähigkeit, sich selbst und andere besser zu verstehen, als Basistool für das Zusammenleben in einer demokratischen Gesellschaft vermittelt – also mehr als ein Must Have angesichts rauer werdender gesellschaftlicher Umgangsweisen.

Klar, dass Kinder, die mehr darüber wissen, wie es ihnen gerade geht und wie sie sich regulieren können, wenn's gerade mal nicht so gut läuft, auch besser lernen.

Zum Glück können wir hoffen, dass mit den vielen jungen Lehrer:innen, die in den nächsten Jahren die Schulen fluten werden, Wellbeing auch im deutschen Schulsystem ein Chance bekommt. Denn zeitgleich werden die vielen Baby-Boomer-Lehrer:innen, die noch im Blut preußischer Tugenden gebadet wurden, in denen es viel zu oft, vor allem an Gymnasien, noch ausschließlich um Leistung und weniger um „ganzheitliches Wohlbefinden“ ging, in den wohlverdienten Ruhestand wechseln.

Diese Lehrergeneration musste vieles aushalten und hat in pädagogischen Umbruchzeiten wunderbare Arbeit geleistet – mit dem, was jetzt vonnöten ist, sind die meisten auch aus Altersgründen komplett überfordert.

Links zu Wellbeing

Definition Wellbeing an Schulen vom Deutschen Kinder- und Jugendtag
themenschwerpunkt-wellbeing-eine-kurze-definition

Das Deutsche Schulportal mit innovativen Ideen:
deutsches-schulportal.de

Die Robert-Bosch-Stiftung: Kita & Schule im 21sten Jahrhundert
www.bosch-stiftung.de

Impulse von Freiday – lernen, die Welt zu verändern (initiiert u.a. von Gerald Hüther)
frei-day.org

Förderung von Projekten für Kinder & Jugendliche über den Bund
bundesprogramm-foerdert-auch-2024-projekte-von-und-fuer-junge-menschen

Berufsverband deutscher Psychologen & Psychologinnen zum Thema
psychische-gesundheit-an-deutschen-schulen

Ein Artikel von
Heilnetz OWL