Heilung bedeutet nicht die Abwesenheit von Leiden....

Betrachtungen von Claude Anshin Thomas, Zen-Lehrer

Die Zweite der Vier Edlen Wahrheiten ist die Ursache des Leidens (oder des unzufrieden seins). Selbstsüchtiges Verlangen (mit einem Schwerpunkt auf der Selbstsucht), Begierde und Ignoranz.

Die Dritte der Vier Edlen Wahrheiden besagt, dass wo es eine Ursache gibt – das Leiden – da gibt es ein Heilmittel.
Die Vierte Edle Wahrheit gibt uns das Heilmittel! Den Edlen Achtfachen Pfad.

Wenn wir mit den Vier Edlen Wahrheiten arbeiten, ist es sehr wichtig zu verstehen, dass die Heilung des Leidens nicht die Abwesenheit dessen bedeutet! In der heutigen Gesellschaft ist es häufig so, dass das Wort „Heilmittel“ mit der Abwesenheit von etwas in Verbindung gebracht wird, oder dem Ende von etwas, wie z.B. von Symptomen wie physischem, emotionalem oder psychologischem Schmerz. So wird die Trauma Therapie beispielsweise immer beliebter. Neue Theorien und Ideen schießen aus dem Boden wie Erdwürmern in der Nacht im Garten, gerade nach einem dieser warmen Sommerregen.

Diese Aussage ist in keiner Weise dazu gedacht, diese sehr wichtige Arbeit zu verhöhnen. Es ist vielmehr als Anmerkung gedacht, hier vorsichtig zu sein.

Im Angesicht all der nächsten, neuen Theorien und Ideen, werde ich wieder und wieder an die buddhistische Richtlinie erinnert die besagt, dass „alle Gedankensysteme nur anleitende Mittel sind. Sie sind keine absoluten Tatsachen, nicht einmal die buddhistischen!“

Es gibt viele Menschen, die Meditationsseminare anbieten, oder das was sie Meditation nennen und ihren Klienten das als Heilmittel offerieren. Zumindest als ein Teil des Heilmittels. Mit all den Projektionen, die mit dem zeitgenössischen Verstehen des Wortes Heilung als Nichtvorhandensein von etwas, zusammen kommen. Bei all diesen Angeboten kann ich nicht anders als neugierig darauf zu sein, in welcher Meditations-Tradition diese Leute studiert haben und mit welchem Lehrer sie aktuell verbunden sind oder waren. Ich betrachte diese Fragen als wichtig, denn es erscheint mir so, dass es da ein ganz grundlegendes Verhalten gibt, in welcher Art und Weise viele Menschen, die mit dem Thema Trauma arbeiten, sich dem Thema der Heilung annähern und wie sie die Rolle von Meditation in diesen Prozessen betrachten / ansehen.

Das Thema der Heilung ist nicht kompliziert. Tatsächlich ist es sehr einfach. Es ruht im Herzen der Vier Edlen Wahrheiten, welche die klare Ansicht vertreten, dass Heilung nicht die Abwesenheit von Leiden ist. Heilung heißt, in bewusster Beziehung mit diesem Leiden zu leben. Denn die Konsequenzen des Leidens (ein anderer Ausdruck für Trauma), gehen nie fort.

Obwohl es wahr ist, dass die Auswirkungen von Trauma sich über die Jahre verändern mögen. Obwohl es auch wahr ist, dass die Art und Weise, wie sich die Auswirkungen von Trauma manifestieren mögen oder das Verhalten, wie sich die Auswirkungen manifestieren ändern mag, ist es in der Realität (nicht die Idee der Realität oder wie wir diese Realität gerne hätten) jedoch so, dass die Folgen des Trauma niemals weggehen werden. Oder niemals für lange Zeit weggehen werden.

Es scheint so, dass wann immer ich ein Magazin aufschlage oder in verschiedene Fachzeitschriften hinein schaue, jemand das nächste psychologische oder medizinische Verfahren anbietet. Mit so vielen Techniken die zur Verfügung stehen stellt sich die Frage, welche Methoden die Besten für die jeweiligen Klienten sind?

Ich werde die Tatsache nicht verstecken, dass ich niemand bin, der bestimmte Methoden empfiehlt, außer derjenigen die für mich funktioniert hat und für so viele Menschen bei denen ich das Privileg hatte, ihnen über die Jahre zu Diensten sein zu dürfen. Das ist die Entschlossenheit gegenüber einer disziplinierten, spirituellen Praxis, verwurzelt in Atem-Bewusstsein und frei von Drogen (die als illegal bezeichnet werden), Alkohol eingeschlossen.

Trotzdem möchte ich hier ergänzen, dass, obwohl ich kein Fürsprecher einer bestimmten Technik vor einer anderen bin, ich die Menschen auch nicht darin entmutigen möchte, sich auf eine Methode einzulassen. Ich gebe einfach nur die wichtige Information weiter, dass die Techniken auf die sie sich einlassen nur ein anderes Hilfsmittel sind, das ihnen zur Verfügung steht und sie sich mit der Realität auseinandersetzen müssen, dass ihre Leben, - unsere Leben - für immer verändert wurden aufgrund der Erfahrungen die wir gemacht haben.

Ich möchte auch ergänzen, dass meine Erfahrung mit den meisten Methoden die als Enttraumatisierungstechniken (Eliminierung des Leidens) verkauft werden ist, dass sie am Ende nicht so erfolgreich sind, wie sie dargestellt werden, oder sie nur für einen kurzen Zeitraum wirksam sind beziehungsweise nur in einer eingeschränkten Art und Weise.

Meiner Erfahrung nach ist jede Technik die sich in der Art verkauft, als dass sie verspricht die Folgen einer speziellen Manifestation von Trauma wegzunehmen oder zu beseitigen, die Menschen (die nach diesen Techniken greifen) auf eine Enttäuschung zulaufen lässt. Eine Enttäuschung, die tragische Konsequenzen haben kann.

Von hier kommt mein Verständnis, dass der Punkt bei dem es in der Arbeit mit Trauma geht, nicht der ist, Menschen in eine Lage zu versetzen, in der sie ihr Leben in Einklang mit einer fixen Definition von „normal“ bringen können. Vielmehr geht es doch darum, sie eher dabei zu unterstützen, wie sie – entsprechend ihrer Lebensumstände – vollständig im gegenwärtigen Moment leben können. In einer bewussten Beziehung mit ihren Erlebnissen.

Die Konsequenzen des Leidens (die Nachwirkungen von Traumata) gehen niemals weg. Das ist die Wirklichkeit die ich ständig von den vielen, vielen Menschen auf die ich mich eingelassen habe, über die Jahre gehört habe. Während ich die therapeutische Gemeinschaft und ihre Bemühungen sehr schätze, die Menschen, die seit Jahren Schwierigkeiten mit den Auswirkungen von erlebten Traumata haben, wahrzunehmen und zu unterstützen, hoffe ich einfach, dass es da eine Bewegung gibt, die damit aufhört zu versuchen, die Menschen in Ordnung zu bringen und daran arbeitet Wege zu finden, sie in dem Prozess von Heilung und Transformation zu unterstützen. Sie dabei zu unterstützen, in einer bewussten und direkten Art und Weise damit zu leben, wie sie beeinträchtigt wurden und wie diese Beeinträchtigungen sich weiterhin in ihren Leben manifestieren!

Der Punkt des Bewusstseins zu dem ich gelangt bin ist, sich nicht auf die Beseitigung der Auswirkungen zu fokussieren aber den Menschen mit dem Bewusstsein, dass diese Folgen nie mehr weggehen werden, Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die ihnen dabei helfen können, in einer anderen Beziehung mit diesen Auswirkungen zu leben. Die Welt so zu steuern, wie sie für sie, - für uns - in diesem Moment ist.

Zum Beispiel habe ich eine sehr bewusste und tiefgehende Reaktion auf Feuerwerke. Es bringt mich unmittelbar in Kontakt mit meinen eigenen Kriegserlebnissen. Nun, da mir diese Realität geschenkt wurde, ist die beste Sorge die ich für mich selber tragen kann, dass wenn ein Feuerwerk abgebrannt wird, ich daran nicht teilnehme. Nicht nur wegen meiner Assoziationen mit Feuerwerkskörpern sondern auch wegen der Realität dessen, was sie sind: Symbole von Krieg und Gewalt. Ja, es liegt eine bestimmte Beschaffenheit von Schönheit in der Vorführung von ihnen, das kann man gar nicht verleugnen.

Das Selbe kann aber auch über die Rauchfahne eines Napalm-Einschlages in der Nacht gesagt werden oder dem Nachthimmel, der durch die Leuchtspur eines Gatling Maschinengewehrs angestrahlt wird.

Bzgl. meines Schlafverhaltens ist es so, dass wann immer ich offen darüber spreche, das dazu führt, dass sich jemand an mich wendet um mir die eine oder andere neue Technik anzubieten. Diese Technik soll dann das lösen, was diese Leute als „mein Schlafproblem“ ansehen. Es ist offensichtlich, dass die Leute die mein Schlafmuster in Ordnung bringen wollen – und sicherlich mit sehr gut gemeinten Absichten – nicht wirklich dem zugehört haben, was ich über dieses Thema gesagt habe. Das dieses Schlafmuster, welches „gestört“ genannt wird, für mich nicht aufreibend ist. Es hat genau in dem Moment aufgehört, anstrengend zu sein, in dem ich akzeptiert habe, dass dies die Art ist, wie mein Schlaf ist und dass mein Schlaf aufgrund der Erlebnisse die ich erfahren habe, so ist. Das macht absolut Sinn.

In aller Kürze möchte ich wiederholen, was sich für mich als anhaltendes und entscheidendes Leitmotiv entwickelt hat: Die Konsequenzen von Trauma gehen niemals weg. Heilung ist nicht die Abwesenheit von Symptomen (Leiden). Es ist vielmehr der Prozess zu lernen, wie man mit diesen Symptomen (Leiden) in einer bewußteren Beziehung leben kann. Die Erste der Vier Edlen Wahrheiten zu akzeptieren – es gibt Leiden – ist der erste Schritt zur Heilung dieses Leidens. Heilung in diesem Sinne bedeutet nicht, dass Leiden erlöschen wird, es bedeutet einfach nur, dass meine Beziehung oder unsere Beziehung sich durch Akzeptanz ändern kann. Es ist eine einfache Wahrheit. Unkompliziert.

In Akzeptanz ruht Freiheit. Leiden verstärkt sich nur durch mein Wollen / Wünschen (Leiden), dass es weggehen soll. Mein Leiden ist nur eine Belastung für mich, wenn ich nicht Willens bin zu akzeptieren, dass es so ist wie es ist.