Binaurale Beats Therapie

Binaurale Klänge gegen Angst und Stress

© Pixabay
11. August 2022 von Martina Seifert

Musik dirigiert nicht nur unsere Gefühlswelt, sie kann auch Angst und Stress lindern. Eine besondere Bedeutung hinsichtlich des therapeutischen Effekts von Musik kommt in jüngster Zeit den sogenannten binauralen Klängen zu.

Laut Neurowissenschaft wird Musik immer auch emotional verarbeitet. Das kennen wir alle aus eigener Erfahrung. Musik bringt uns zum Weinen, erzeugt Gänsehaut, sorgt für wohlige Schauer, versetzt uns in Hochstimmung. Der Einfluss von Musik auf unser Gehirn soll sogar messbar sein. Die Klänge sollen direkt auf die Hirnregionen einwirken, die für Stress oder für die Gefühlsbewertung von Sinneseindrücken verantwortlich sind. Im Umkehrschluss kann dies bedeuten, dass Musik auch zu therapeutischen Zwecken eingesetzt werden kann, um auf bestehende emotionale Befindlichkeiten einzuwirken.

Bereits seit einigen Jahren werden Studien durchgeführt, die untersuchen, inwieweit Musik, insbesondere binaurale Klänge, Ängste und Stress reduzieren können. Die binaurale Klangarbeit ist eine relativ neue Form der Schallwellentherapie. Die Methode macht sich zunutze, dass das rechte und linke Ohr jeweils einen leicht voneinander abweichenden Frequenzton hören, das Gehirn diese jedoch als einen einzigen Ton, einen Beat oder Schlag, wahrnimmt.

Was sind binaurale Beats?

Wenn wir zwei Töne hören – einen mit jedem Ohr –, die sich in der Frequenz leicht unterscheiden, verarbeitet unser Gehirn einen Schlag bei der Differenz der Frequenzen. Dieser wird als binauraler Beat bezeichnet. Wenn wir beispielsweise mit unserem linken Ohr einen Ton mit einer Frequenz von 132 Hertz (Hz) hören und mit dem rechten Ohr einen Ton von 121 Hz, hören wir nicht zwei verschiedene Töne, sondern einen neuen mentalen Ton. Unser Gehirn produziert einen Mittelwert, einen binauraler Klang

Binaurale Klänge gelten als auditive Illusionen. Damit ein binauraler Beat funktioniert, müssen die beiden Töne Frequenzen von weniger als 1000 Hz haben und der Unterschied zwischen den beiden Tönen darf nicht mehr als 30 Hz betragen. Außerdem müssen die beiden Töne separat gehört werden, einer durch jedes Ohr.
Binaurale Beats wurden bereits von der Musikwissenschaft erforscht und werden genutzt, um Instrumente wie Klaviere und Orgeln zu stimmen. Erst in jüngerer Zeit werden binaurale Töne auch mit potenziellen therapeutischen Effekten in Verbindung gebracht und untersucht.

Gesundheitliche Vorteile binauraler Klänge

Angst hat in den letzten Jahrzehnten insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen stetig zugenommen. Studien haben gezeigt, dass das Hören von Musik Angstzustände reduzieren kann, vielleicht sogar effektiver als einige Medikamente. Es fehlten jedoch quantitative Daten zu den Auswirkungen personalisierter Musik auf Angstzustände.

Eine aktuelle Studie von Adiel Mallik und Frank Russo von der Ryerson University, Kanada, zeigt, dass Behandlungen, die Musik und auditive Beat-Stimulation integrieren, bei einigen Patientinnen und Patienten Angstzustände lindern. Die Forscher randomisierten 163 Patientinnen und Patienten mit erwiesener Angststörung, die mit Medikamenten therapiert werden, um an einer Behandlung zu Hause teilzunehmen. Diese beinhaltete sowohl das Hören von Musik oder akustischen Beat-Stimulation oder beides sowie rosa Rauschen (Hintergrundgeräusche ähnlich dem weißen Rauschen).

Die Musik wurde für jeden der Patientinnen und Patienten mithilfe künstlicher Intelligenz ausgewählt, basierend auf dem emotionalen Zustand und den Musikpräferenzen. Die auditive Beat-Stimulation beinhaltet Kombinationen von Tönen, die von einem oder beiden Ohren gehört werden, um Veränderungen der Gehirnaktivität auszulösen. In allen Gruppen wurden die Patientinnen und Patienten gebeten, für die Untersuchung eine angepasste App auf ihr Smartphone zu laden und sich mit Kopfhörern bei geschlossenen Augen eine 24-minütige Sitzung anzuhören. Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass klang basierte Behandlungen tatsächlich Angstzustände effektiv reduzieren können.

Ältere Studien zeigen, dass binaurale Beats nicht nur Angst und Stress reduzieren können, sondern auch die Konzentration steigern, Entspannung, positive Stimmungen und Kreativität fördern und bei der Schmerzbewältigung hilfreich sein können.

Eine weitere Theorie besagt, dass binaurale Beats dazu beitragen können, die Frequenz zu erzeugen, die unser Gehirn benötigt, um die gleichen Wellen zu erzeugen, die während der Meditation entstehen. Die Verwendung binauraler Beats für die Meditation wird als Brainwave Entrainment Technology (Gehirnwellensynchronisation) bezeichnet.

Wie werden binaurale Beats angewendet?

Alles, was Sie brauchen, um mit selbst binauralen Beats zu experimentieren, ist ein binaurales Beat-Audio und Kopfhörer oder Ohrstöpsel. Audiodateien mit binauralen Beats lassen sich ganz einfach online finden, z. B. auf YouTube. Wie bereits erwähnt, müssen die beiden Töne Frequenzen von weniger als 1000 Hz haben, damit ein binauraler Beat funktioniert, und der Unterschied zwischen den beiden Tönen darf nicht mehr als 30 Hz betragen. Sie können auch entscheiden, welche Gehirnwelle zu Ihrem gewünschten Zustand passt. Allgemein gilt:

  • Binaurale Beats im Delta-Bereich (1 bis 4 Hz) werden mit Tiefschlaf und Entspannung in Verbindung gebracht.
  • Binaurale Beats im Theta-Bereich (4 bis 8 Hz) sind mit REM-Schlaf, reduzierter Angst, Entspannung sowie meditativen und kreativen Zuständen verbunden.
  • Binaurale Beats in den Alpha-Frequenzen (8 bis 13 Hz) sollen die Entspannung fördern, Positivität fördern und Angst abbauen.
  • Binaurale Beats in den unteren Beta-Frequenzen (14 bis 30 Hz) werden mit erhöhter Konzentration und Wachsamkeit, Problemlösung und verbessertem Gedächtnis in Verbindung gebracht.

Wenn Sie binaurale Beats hören möchten, begeben Sie sich an einen angenehmen Ort, wo Sie möglichst ungestört sind und es bequem haben. Das Hören binauraler Beat-Audios für mindestens 30 Minuten täglich stellt sicher, dass der Rhythmus im Gehirn mitgeführt wird (in Synchronisation geraten ist).

Sie können mit der Dauer experimentieren, um herauszufinden, was für Sie am besten funktioniert. Wenn Sie zum Beispiel ein hohes Maß an Angst oder Stress haben, möchten Sie vielleicht eine volle Stunde oder länger den Klängen lauschen.
Denken Sie daran, dass Sie Kopfhörer verwenden müssen, damit die binaurale Beats funktionieren.

Nebenwirkungen bei binauralen Beats?

Nebenwirkungen beim Hören von binauralen Beats soll es nicht geben. Stellen Sie aber sicher, dass der Schallpegel nicht zu hoch eingestellt ist. Längerer Kontakt mit Geräuschen von 85 Dezibel oder mehr kann mit der Zeit zu Hörverlust führen. Das entspricht in etwa dem Geräuschpegel, der von starkem Verkehr erzeugt wird.

Die binaurale Beat-Technologie könnte ein Problem darstellen, wenn Sie an Epilepsie leiden, daher sollten Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt sprechen, bevor Sie diese Technik ausprobieren. Es bedarf weiterer Forschung, um zu sehen, ob das Hören von binauralen Beats über einen längeren Zeitraum zu Nebenwirkungen führen kann.

Ein Artikel von
Freie Autorin, Text, Lektorat