Das böse Cholesterin?
Auf den Spuren eines Irrtums
Über Cholesterin wird gestritten seit Ancel Keys 1958 seine „7-Länder-Studie“ über den Zusammenhang zwischen tierischem Fett und Sterblichkeit veröffentlichte. Wie sich später herausstellte, hatte er die Ergebnisse manipuliert, in dem er Länder, die nicht zu seiner Auffassung „passten“ schlicht aus den Ergebnissen strich.
Trotzdem zählen seither Millionen Menschen ihre Frühstückseier – und schlucken Cholesterinsenker, um – vor allem – das „böse“ LDL-Cholesterin zu senken, das an Herzinfarkten, Schlaganfällen usw. schuld sein soll. Kardiologen betonen, dass es um so besser sei, je niedriger (zumindest unter 100 mg/dl) das LDL liegt. Die Folge: Rund 7 Millionen Menschen in Deutschland schlucken Cholesterinsenker (Statine).
Übrigens gab Ancels Keys 1997 in einem Interview zu: „Es gibt absolut keine Verbindung zwischen Cholesterin in der Nahrung und Cholesterin im Blut. Keine. Und das haben wir schon immer gewusst. Cholesterin in der Nahrung macht überhaupt nichts ...“
Je niedriger desto besser stimmt nicht?
Eine aktuelle – sehr umfangreiche – Studie wirft nun auch das „LDL, je niedriger desto besser“-Dogma über den Haufen. Eine große prospektive Kohortenstudie* an 100.000 Menschen aus Dänemark, die über 9 Jahre begleitet wurden, kommt nun zu dem Ergebnis, dass sowohl sehr hohe (über 189 mg/dl LDL-Cholesterin), als auch sehr niedrige (unter 70 mg/dl LDL-C.) Spiegel mit einer erhöhten Mortalität (Sterblichkeit) einhergehen. Die geringste Sterblichkeit hatten Menschen, deren LDL-C.-Spiegel um die 140mg/dl lag.
Diese Art der Studie kann eine Kausalität („niedriges LDL ist schuld daran, dass man früher stirbt“) nicht belegen, weil sie nur beobachtet, aber nicht aktiv eingreift. Sie zeigt aber, dass niedrige LDL-Spiegel oft ein Zeichen für andere gesundheitliche Probleme sein können. So haben Krebspatienten oft niedrige LDL-Spiegel. Und sie zeigt auch, dass jemand mit einem mittleren LDL-Spiegel keineswegs ungesünder ist, als jemand mit einem niedrigeren.
Übrigens: Auch die Werte, auf die sich Kardiologen beziehen, beruhen nur auf den Ergebnissen von Beobachtungsstudien. Und auch diese Studien beweisen nicht, dass hohes Cholesterin ursächlich für Herzinfarkte etc. sind.
Was für einen Nutzen zieht man nun als Patient/in aus der dänischen Studie?
Sie zeigt vor allem eines: Es ist nicht notwendig, mittlere LDL-Werte (um 140mg/dl) künstlich zu senken, um irgendwelche Leitlinien-Werte zu erreichen, vor allem wenn es keine weiteren ernsthaften Risikofaktoren gibt.
*Quelle: Bmj 2020;371:m4266. doi: https://doi.org/10.1136/bmj.m4266
Zusammenfassung in der Ärztezeitung: https://www.aerztezeitung.de/Podcasts/LDL-Cholesterin-und-die-Zielwerte-was-ist-das-neue-Normal-417033.html?utm_term=&utm_source=-AEZ_NL_TELEGRAMM&utm_medium=email&tid=TIDP762089X8C50C81D3F20466E85816B299C86AE26YI4&utm_campaign=AEZ_NL_TELEGRAMM
Ein Artikel von
Rudolf Hege
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