Die Küchenzwiebel, Speisezwiebel, Sommerzwiebel, Zwibolle
Heilpflanze des Jahres 2015: Die Zwiebel
„Hat 7 Häut’, beißt alle Leut!“ – wer kennt sie nicht, die Pflanze, die beim Anschnitt in den Augen zwiebelt! Aufgrund ihrer mannigfachen Einsatzmöglichkeiten in der Natur- und Volksheilkunde hat sie erst jüngst ein Naturheilverein in Sachsen zur Heilpflanze des Jahres 2015 ausgewählt.
In der Tat wird die Verwendung des weltweit wichtigsten Würzgemüses schon in einer jahrtausendealten Keilschrift belegt. Es gibt Aufzeichnungen darüber, welch unglaubliche Mengen Zwiebeln an die Arbeiter zum Bau der Pyramiden ausgeteilt wurden. Unseren germanischen Vorfahren waren die Pflanzen aus der Lauchfamilie so wertvoll, daß sie ihnen eine eigene Rune widmeten, die für Lauch, aber auch für Liebe stand. Und das macht die Sache interessant. Hieronymus Bock berichtet in seinem Kräuterbuch von 1577: „wir Teutschen brauchen sie beinahe in aller Kost, verschonen auch der rohen Zwiebel nicht. Etliche brauchen sie zur Wollust, die anderen zur Artzney.“ Na bitte.
Bevor wir nun freudvoll zu experimentieren beginnen, schauen wir uns erstmal den Einsatz der Zwiebel als „Artzney“ an.
Es gilt als gesichert, daß ihre ätherisch-schwefligen Substanzen (die den Tränenfluß beim Anschneiden verursachen) in Verbindung mit dem hohen Vitamin-C-Gehalt eine sehr große Reinigungskraft besitzen. Ihre leicht antibiotischen Inhaltsstoffe wirken im Körper wie in Speisen der Fäulnis und Gärung entgegen. Der Inulin-Gehalt erklärt ihre blutzuckersenkende Wirkung. Eine hohe Menge an Vitaminen, darunter A, B1, B2, E, H, K und P, Fermente, Pektin, zahlreiche Mineralien, z. B. Kieselsäure, und Spurenelemente sorgen für Stärkung von Herz und Nerven. Lauch, Knoblauch und Zwiebeln halten unsere Adern sauber und elastisch und verhindern frühzeitiges Altern.
Die Zwiebel gilt als anregend, blutreinigend und regulierend für zu hohen oder zu niedrigen Blutdruck. Sie fördert die Durchblutung und Tätigkeit der Schleimhäute. Klinische Untersuchungen haben tatsächlich ergeben, daß man durch die Zwiebel seine sexuelle Kraft wiedererlangen kann (innerlich genommen, äußerlich bitte vorsichtig – sie ist hautreizend!).
Roher Zwiebelsaft wird als Einreibungsmittel verwendet gegen Flechten und Schuppen und – zusammen mit Saft der großen Brennessel – gegen Haarausfall.
Durch ihre schweißtreibenden Eigenschaften und über alle Körperdrüsen sorgt die Zwiebel für Entgiftung von innen wie ein Generalreiniger und sorgt für schöne Haut, selbst bei jungen Leuten mit Akne.
Manch einer kennt noch die Erste Hilfe bei Insektenstichen, mit einer zerschnittenen frischen Zwiebel den Einstich zu bestreichen, worauf der Schmerz sich sofort verflüchtigt. Auch bei leichteren Verbrennungen hat die Zwiebel schon geholfen, wenn man sie frisch gerieben auf die verbrannte Stelle aufbringt. Ein Zwiebelwickel auf den Fußsohlen soll bei Fieber hilfreich sein.
In der Volksheilkunde gilt die Zwiebel als krampfstillend und schleimlösend, entgiftend, wurmwidrig und verdauungsfördernd sowie wasser- und windetreibend.
Aktuelle Studien in China, Italien, Holland, Frankreich, England und USA haben ergeben, daß reichlicher Genuß von Pflanzen aus der Allium-Familie die Häufigkeit von Krebs erheblich reduziert. Mehrere Verbindungen wie z. B. das aus dem Allicin umgewandelte Diallylsulfid (DAS) oder Di-allyl-di-sulfid (DADS) hemmen die Enzyme, die Karzinogene aktivieren und stimulieren zugleich jene, die zur Eliminierung dieser Substanzen beitragen (Béliveau, Prof. Dr. med., Richard, 2010, S. 97)
Dabei spielen die Schwefel-Verbindungen eine entscheidende Rolle, ebenso Polyphenole wie das Quercetin, das im Labor das Wachstum einer großen Zahl von Krebszellen verhindern kann. Diese Stoffe werden durch das Schneiden und Zerdrücken oder gutes Kauen des Gemüses freigesetzt (ebenda).
Eine Zwiebelsaft-Trinkkur sollte man über 3-4 Wochen durchziehen. Dreimal täglich werden 1-2 Eßl. Saft eingenommen neben den üblichen Mahlzeiten. Sie empfiehlt sich zum Einsatz bei:
Allergien, Appetitlosigkeit, Arterienverkalkung, Blähungen, Blasenentzündung, Blutarmut, Bluthochdruck, Bronchialasthma, Durchblutungsstörungen, Erschöpfungszustände, Fettsucht, Gicht, Hämorrhoiden, Hautkrankheiten, Husten, Ischias, Krämpfe, Leber-Galle-Störungen, Lungenkrankheiten, Magengeschwür, Magenkatarrh, Nervosität, Neuralgien, Nierenentzündungen, Rachitis, Rheuma, Schilddrüsenfunktionsstörungen, Schlaflosigkeit, Steinkoliken, Venenentzündung, Verdauungsstörungen, Tetanie, Wassersucht, Wurmkrankheiten, Zuckerkrankheit (Pawlak, Manfred, 1991: „Die natürliche Hausapotheke“).
Diese Zwiebelsaftkur soll auch die Anschwellungen der Hände, Füße und Beine, sowie Ödeme des Bauch- und Brustraumes beseitigt haben. Zwiebelsaft mit Honig gilt nicht nur als gutes Nervenmittel, sondern beendet auch Heiserkeit und Entzündungen im Hals- und Rachenraum.
Wichtig ist, die rohen Zwiebeln nach ihrer Verarbeitung als Saft oder breiige Auflage sofort anzuwenden, da sie sonst rasch an der Luft oxidieren und nicht nur ihre wertvollen Stoffe verlieren, sondern auch schwer verdaulich werden für Magen- und Darmkranke. Wenn sie im Öl der Salatsoße oder in Fett in der Pfanne zubereitet werden, verlangsamt sich dieser Zerfall.
Aufstoßen, Blähungen und Leibschmerzen nach Zwiebelgenuss sind zumeist auf zu grobe oder fehlerhafte Verarbeitung zurückzuführen. Gekocht ist sie für alle geeignet, ihre Wirkung erhält sich.
Die Zwiebel ist erstaunlich harntreibend, schon wenn man das Kreuz oder den Unterleib mit einer Zwiebelhälfte einreibt, steigt die Urinproduktion um 25 % (Mességué, Maurice: „Das Mességué Heilkräuter-Lexikon“, S.314). Mességué empfiehlt daher auch eine regelmäßige Zwiebelkur für all jene, die an Nierenkoliken, Nieren- oder Blasensteinen, Ödemen, Harneiweiß, Gicht oder Rheumatismus leiden. Aber sie soll nicht bei Nierenentzündung eingesetzt werden!
Als Hausmittel gegen Würmer kochte man früher Zwiebeln in Milch und nahm morgens und abends je
1 Eßlöffel davon. Nicht nur Bauchgrimmen, sondern sogar Magenblutungen sollen aufgehört haben, wenn man fein zerschnittene Zwiebeln in Milch gekocht gegessen und getrunken hatte. Gegen Ischias-schmerzen soll so eine Zwiebelmilchkur hervorragende Dienste tun.
Bei starkem Befall von Madenwürmern verabreichte man sogar Einläufe mit Zwiebeln.
Warme Umschläge von in Schweinefett gedämpften Zwiebeln wurden bei Versteifungen von Gelenken, bei geschwollenen Mandeln und Drüsen, bei harten Geschwülsten und Erfrierungen angewendet.
Gegen verschleppten Schnupfen führte man Zwiebelstückchen von 4 bis 5 cm Länge in beide Nasenlöcher, wo sie den zähen Schleim lösten und die Nase wieder frei machten (Flach, Grete, 1978: „Aus meinem Rezeptschatzkästlein“, Hermann Bauer Verlag, Freiburg, S. 225).
Aus Russland wird berichtet, wie sich die Menschen bei Schnupfen rohen Zwiebelsaft in die Nase hoch schnieften, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
A prospros klarer Kopf: Es heißt, Tee aus Zwiebel und Johanniskraut soll bei Gedächtnisschwäche helfen (ebenfalls nach Kräuterfrau Grete Flach, Hessen). Hier wird sicherlich auch die durchblutungsfördernde und schlackenlösende Wirkung für die vorteilhafte Wirkung verantwortlich sein.
Mességué berichtet von rohen Zwiebelbreiumschlägen im Nacken gegen Kopfschmerzen und zur Förderung der Heilung bei Hirnhautentzündung. Des weiteren benutzt er in der Asche gekochte Zwiebeln gegen Abszesse, Furunkeln, Schrunden und Frostbeulen.
Man setzt Zwiebelessenz in der Homöopathie ein gegen Magen- und Darmkatarrh, Blähungen mit Leibschmerzen, Nervenschmerzen von Regelstörungen über Gesichtsneuralgien bis zu Amputationsschmerz an Stümpfen, Bronchitis, Fließschnupfen, Halsschmerzen, Grippe (Willfort, Richard, 1959, S. 552).
Hat man gerade kein Präparat Cepa zur Hand, kann man ein dünnes Scheibchen von einer Zwiebel abschneiden, eine Zeitlang in ein Glas warmes Wasser tauchen und dann stündlich einen Schluck davon nehmen (Vogel, Alfred, 1952: „Der kleine Doktor“, Schweizer Natur- und Volksheilkunde, Verlag A. Vogel, Teufen (CH).
Das Beste an der Zwiebel als Heilmittel ist, daß sie in so ziemlich jedem Haushalt stets vorhanden und sofort einsatzbereit ist, was auch immer geschieht. Und schließlich nicht zu vergessen sei ihre vielseitige Verwendung in der Küche als delikate Zutat zu herzhaften Gerichten oder auch als Einzelgemüse.
Kennen Sie diese?
Ulrike Sprick: gourmet-wildkräuterküche.de
Quellen:
Béliveau, Prof. Dr. med., Richard, und Gingras, Dr. med., Denis, 2005: „Krebszellen mögen keine Himbeeren“, 13. Auflage 2010, Kösel-Verlag, München
Engel, Fritz-Martin, 1978: „ Mein Küchengarten-Brevier“, Gemüse, Würzkräuter, Beeren, Hallwag-Verlag, Bern
Flach, Grete, 1978: „Aus meinem Rezeptschatzkästlein“, Hermann Bauer Verlag, Freiburg
Gööck, Roland, 1972: „Gewürze und Kräuter von A-Z“, Verlagsgruppe Bertelsmann, Gütersloh
Gory, Erhard, 1975: „Heimerans Küchenlexikon“, Heimeran Kochbuchverlag, München
Hertwig, Hugo, 1954: „Knaurs Heilpflanzenbuch“, Taschenbuch Droemer Knaur
Kolb, Annette, 1989: „Kräuterküche, Würzig und gartenfrisch“, Buch u.Zeit Verlagsgesellschaft, Köln
Künzle Johann, 1988: „Chrut und Unchrut“, Verlag Kräuterpfarrer Künzle AG, Minusio
Lichtenstern, Hermann, 1972: „Heilpflanzen“, Botanik, Sammelgut, Arzneiliche Verwendung Goldmann TB
Lichtenstern, Hermann, 1972: „Wildgemüse“, Botanik, Sammelgut, Verwendung, Goldmann Taschenbuch
Löffler, Helmut: „Naturheilkunde von A-Z“, Vehling-Verlag, Fröndenberg
Mességué, Maurice: „Das Mességué Heilkräuter-Lexikon“, Lizenzausgabe Bertelsmann Club GmbH, Gütersloh
Oertel-Bauer: „Lexikon der Naturheilkunde“, Lingen-Verlag, Köln
Pahlow, Mannfried, 2002: „Das große Buch der Heilpflanzen“, Bechtermünz Verlag
Pawlak,Manfred, 1991: „Die natürliche Hausapotheke“, M. Pawlak Verlagsgesellschaft, Herrsching
Perger, K., Ritter von, 1864: „Deutsche Pflanzensagen“, 1864 (Zentralantiquariat der DDR), Nachdruck 1980: Es heißt, beim Zwiebelstecken soll man kein Wort reden, sonst wachsen lauter Narren, d. h. die Pflanzen schießen hoch auf und bilden keine Bulben, wenn sich aber am Johannistag die Bauern in den Zwiebelbeeten wälzen, sollen die Zwiebeln sehr groß werden.“ J
Rogler, August: „Kräutersegen“, Cura Verlag, Wien, München
Vogel, Alfred, 1952: „Der kleine Doktor“, Schweizer Natur- und Volksheilkunde, Verlag A. Vogel, Teufen (CH)
Willfort, Richard, 1959: „Gesundheit durch Heilkräuter“, Rudolf Trauner Verlag Linz, 26. Auflage 1997
Ein Artikel von
Ulrike Sprick
33442 Clarholz
www.gourmet-wildkräuterküche.de
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