Iss was Gescheites?!

Aber was?

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7. Dezember 2018 von Heilnetz-Beitrag

Bis vor kurzem dachte ich noch, Ernährung sei eine relativ einfach Sach': Gesund seien Speisen aus echten - irgendwie lebendigen, mal gewachsenen Zutaten, am besten selber zubereitet:

  • Ein guter Teil Gemüse und Früchte, möglichst schadstoffarm, für Vitamine, Mineralstoffe, Antioxidantien und was die lieben Pflanzen sonst noch Feines zu bieten haben
  • dazu eine Portion Reis, Kartoffeln, Vollkornbrot oder ähnliches
  • a bissle Fleisch, Fisch, Eier nach Gusto von Tieren, die ein schönes Leben hatten
  • zwischendurch mal Joghurt, Quark, Kefir etc.
  • gute Öle und Fette (Leinöl, Nussöle, Ghee, ...)
  • und natürlich Gewürze und frische Kräuter, die schmecken und heilen
  • das alles in vielfältig abwechselnden Variationen

Nahrungsmittelähnliche Produkte, bei denen du nicht wissen möchtest, was außer den wirklich fiesen Transfetten, einem Haufen Zucker, Geschmacksverstärkern sonst noch alles drin ist, sind definitiv nicht gesund. Ebenso Limonaden, Süßigkeiten, Süßstoffe, Geschmacksverstärkerhaltiges, Alkohol im Dauergebrauch.

Einseitige Fanatismen bringen auch nix: Ernährst du dich ausschließlich von Rohkost, wirst du wahrscheinlich - wenn auch andere - Probleme bekommen wie beim täglichen Konsum eines halben Schweins. Zu beachten wäre auch die Menge. Ein Bauarbeiter (oder eine Krankenschwester ;) verbrauchen mehr Energie als ein Schreibtischtäter.

Nach ausführlichen Recherchen und dem Studium zahlreicher Bücher zum Thema Ernährung muss ich dir leider sagen, dass es so simpel nicht ist!
Die Konzepte widersprechen sich zum Teil schon im Ansatz so sehr, dass ich mich - trotz guten Willens! - außerstande sehe, dir die Quintessenz "gesunden Essens" darzutun.

Dafür präsentiere ich dir mein persönliches Fazit:

Die Versprechungen
Ausnahmslos alle Theorien, von denen ich gelesen habe, versprechen dir mehr Energie im Alltag, deine Allergien loszuwerden, entzündungshemmende Wirkung, ein strahlendes Aussehen, stabilen Blutzucker, automatische Gewichtsreduktion und so weiter und so fort. Halt Glück, Schönheit und durch die Funktionssteigerung natürlich Reichtum. Darf ja nicht fehlen.

Prima Ziele, aber muss dafür wirklich nur unser Essen - ein Lebensaspekt von vielen - herhalten?
Ich bin fest davon überzeugt, dass "was Gescheites auf dem Tisch" Leib und Seele nährt. Aber manchmal ist es auf dem Weg zur Zufriedenheit nötig, auch andere Lebensbereiche aufzuräumen. So hat ein Arbeitsstellen- oder Partnerwechsel zum Beispiel schon manche Allergie geheilt.

Vergleiche ich die verschiedenen Argumentationsketten der Konzepte, schlägt das, was ich für gesunden Menschenverstand halte, hysterisch lachend Purzelbäume. Da raufen Ideologien um den Sieg!

2. Ernährung ist Image und Ideologie

Vegan-Sein zum Beispiel ist zur Zeit hip. Einige - nicht alle - Tierfreifraktionsangehörige zeigen diese verantwortungsvolle Achtsamkeit für den Planeten, die Tiere, die Menschen, total global und überhaupts! Politisch korrekt und genderkonform. Es gibt ja auch die Sojawurst und den Sojabratling.
Jeder darf essen, was er will. Aber ehrlich gesagt, mir geht der missionarisch-abfällige Ton gehörig auf den Senkel. Ob man ein guter Mensch ist oder nicht, entscheidet nicht der Darminhalt.

Für die einen ist Soja die allersuperbeste, leichtverdauliche, fettarme Alternative zu tierischen Proteinen, andere verteufeln den Tofu und Konsorten. Sie enthielten total darmunverträgliche Stoffe. Nüsse, Ölsaaten und Kerne ereilt das gleiche Schicksal: Sie gelten ideologieabhängig entweder als Bringer der Glückseligkeit, da sie wertvolle Fettsäuren enthalten, oder als därmliche Irritationsauslöser.

Soll Eiweiß meinem körpereigenen Eiweiß nun möglichst ähnlich sein, um gut eingebastelt zu werden oder lieber doch nicht? Ist artfremdes doch besser? Bin ich einer Sojabohne ähnlicher oder einem Schwein, und was bedeutet das?

Das kann sozial unbequem werden, denn mit dem, was du isst, erklärst du dich automatisch einer Gruppe zugehörig. Wenn du dir da keine passende Fraktionsbezeichnung ans Revers pappen kannst, wird's eng. "Vernünftig halt" reicht nicht! Pack auf einem Heilpraktikerkongress eine Leberwurstsemmel aus, dann weißt du, was ich meine.

3. "Du isst noch Weißmehl?"
Nach der momentan populärsten Richtung (strikte Kohlenhydrat-Verbannung, minimalfett, proteinbetont, ganz viel Gemüse und diverse autorenabhängige Nahrungsmittelergänzungs-Cocktails) sollte ich schwerkrank bis tot sein: Meinen Kaffee trinke ich schwarz wie die Nacht und süß wie die Liebe. Was wären eine Kartoffelsuppe ohne Wiener? Wien ohne Schnitzel? Meine Spaghetti ohne mich? Beste Freunde bis ans Ende der Welt!

Klar - ausschließlich Pasta, auch mit einem Löffele Gemüsesoße, sind nicht der Ernährung letzter Schluss. Aber nicht mal ich kann jeden Tag Nudeln essen. Versuch ich's doch, schaltet sich die Lust nach Obst, Gemüse, Fleisch oder was immer mir fehlen könnte, zuverlässig an, bevor es zu spät ist.

4. Neue Krankheiten als Bewusst-Leben-Auszeichnung
Zum anderen NoGo wurde Milch. Manche Menschen vertragen Milch sehr gut. Andere nicht so sehr. Und ein paar gar nicht. Trotzdem wird Kuhmilch oft ohne Hinterfragen ersetzt durch pflanzliche Alternativen, die industriell hergestellt werden. Wenn du Milch gut verdauen kannst, dann trink sie! Dann musst du dich nicht mit einem Reismilch-Capuccino plagen. Für die Ayurveda-Mediziner ist Kuhmilch ein wertvolles Lebensmittel. (Und Ayurveda ist ja auch irgendwie hip.) Tut dir Milch nicht gut, dann überlege, ob schwarzer Kaffee auch trinkbar wäre. Ein arabisch-stämmiger Kabarettist erzählt in seinem Programm, dass er mit seinem deutschen Pass Lactoseintoleranz bekommen hätte. Das gibt mir schon zu denken.

5. Zuckerverteufelung
Zucker zu reduzieren ist sinnvoll: Statt der Limo besser Mineralwasser oder Tee, statt der ganzen Tafel Schoki nur ein Stück, und das Apfelmus schmeckt mit der Hälfte Zucker aus Omas Rezept genauso gut. Du findest bestimmt weitere, vernünftige Möglichkeiten.

Was mich aber wirklich besorgt, ist, dass selbige auch das gute, alte Obst erreicht hat. Manche Leute haben inzwischen regelrecht Angst vor diesen Geschenken der Natur! Schade, Früchte sind vollgestopft mit Stoffen, die mit ihrer Kombination heilend wirken können - und noch dazu einfach gut schmecken. Die göttlichen Schöpfer (oder die Evolution) haben unsere Süß-Vorliebe nicht eingebaut, um uns zu schikanieren, sondern um einen Überlebensvorteil zu schaffen.
Das gelbe Rüble wird deinen Blutzuckerspiegel nicht so effizient ausgleichen können wie eine Handvoll Trauben oder eine Mandarine.
Honig - beste Naturmedizin gegen Bakterien, Viren und Pilze - enthält Vitamine, Spurenelemente und diverse andere Wirksoffe. Aber da ist ja Zucker drin, also fort vom Speiseplan?!

6. weitere Ängste
Auf den Rohkostsprossen wohnen fiese Keime, Herbizide, Pestizide, Antibiotikarückstände, Arsen, Quecksilber... Und wird der Regenwald abgeholzt wegen der hohen Sojanachfrage? Hast du alle Ernährungsratgeber gelesen, drängt sich die Vermutung auf, man könne eigentlich gar nichts mehr gefahrlos essen. Sogar das Leitungswasser hier bei uns ist gechlort.
Also hungern? In einem Land, in dem der Überfluss Kapriolen schlägt und unsägliche Lebensmittelmengen in der Tonne landen?

7. Diät oder Ernährungsform?
Erstere soll bei Krankheitsgeschehen die Heilung unterstützen. Da ist sehr viel möglich, sogar so viel, dass die Beschreibung hier den Rahmen sprengen würde. Aber eine Diät ist immer zeitlich begrenzt, irgendwann soll "normal essen können" wieder erreicht werden.

Gut zu wissen, was dir guttut

Eine Ernährungsform dagegen soll dich im Alltag mit allem versorgen, was du gerade brauchst, dir schmeckt, und dich nicht belasten. Und das ist eine hochindividuelle Angelegenheit. Nicht alles ist für jeden gut! Die Lebensumstände, Vorlieben und Verträglichkeiten unterscheiden sich von Mensch zu Mensch. Und nicht jeder Tag ist gleich.

Hilfreich ist natürlich, wenn du weißt, was du gut verdauen kannst und was du gerade brauchst. Nur spüren das leider nur noch wenige und handeln auch danach.
Dabei ist es ganz einfach:

  • Lerne zu spüren, wann du Hunger hast. Das kann ein "Mir ist so schwummerig"-Gefühl sein, ein handfester Grant oder das gefühlte Loch im Bauch.
  • Dann iss das, worauf du Appetit hast. (Wenn du eine Woche lang nur Schweineschnitzel essen magst oder Auberginen, würde ich mir Gedanken machen und die Vernunft ans Ruder holen;)

Fühlst du dich nach dem Essen beschwingt und energiegeladen, dann war es in diesem Moment das Richtige für dich.
Gönne dir viel Abwechslung, dann kennt dein Hunger Alternativen und kann dir genauere Appetitansagen machen - dich zu der Speise (ver)führen, die du gerade brauchst. Keine Sorge, dein Körper sucht sich das Beste aus. Das wieder zu lernen, dauert allerdings seine Zeit.

Du bist fast am Ziel, wenn du als Vegetarier an der Fleischtheke stehst und dein Eisenmangel dir das Wasser im Mund zusammmenlaufen lässt beim Anblick der rohen Leber. Oder du dich lieber in Salat betten lässt, statt auf Rosen...

Soviel zum "Was". Im nächsten Teil befassen wir uns mit dem "Wie", das erstaunlicherweise in den meisten Ernährungsratgebern nicht behandelt wird.

Lass es dir schmecken!
Guten Appetit und herzliche Grüße,
Manuela

Dieser Artikel erschien ertsmalig im Blog tangofish von Manuela Bößel - vielen Dank, dass wir ihn veröffentlichen dürfen.

Die Autorin: Manuela Bößel

Heilpraktikerin, Illustratorin und Autorin

www.tangofish.de/

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