Rückenschmerzen
Die Folgen unserer Lebensweise?
Rückenschmerzen im Lendenwirbelbereich (LWS) sind die häufigsten Schmerzen am Bewegungsapparat überhaupt! Neun von zehn Menschen haben mindestens einmal in Ihrem Leben Schmerzen in diesem Bereich. Rückenschmerzen sind aber nicht nur erwachsenen Menschen vorbehalten. Nein, sogar ein Drittel der Schulkinder mit acht Jahren geben an, Rückenprobleme zu haben.
Rückenschmerzen verstehen
Ich arbeite in meiner Praxis ausschließlich mit dem Schmerztherapiekonzept nach Liebscher [&] Bracht und sehe täglich, wie diese Therapie wirkt. Neben diesen praktischen Eindrücken aus meinem Praxisalltag begeistert mich zusätzlich die Einfachheit und Logik des Erklärungsmodells, wie Roland Liebscher-Bracht die Entstehung von Schmerzen am Bewegungsapparat herleitet:
https://www.youtube.com/watch?v=8cCDR6YcCOY
Demnach haben die meisten Schmerzen am Bewegungsapparat die Aufgabe, die Gelenke vor gelenkschädigenden Bewegungen zu schützen – denn Schmerzen sind ein Signal dafür, dass es dem Körper nicht gut geht und es so nicht weitergehen darf! Für mich als Therapeut ist dieses Modell (ein Modell versucht ja die Wirklichkeit zu beschreiben) wahr. Ich bitte Sie jedoch ausdrücklich, liebe Leserinnen und Leser, mir pauschal erst einmal nichts zu glauben und sich Ihre eigene Meinung darüber zu bilden, ob der Erklärungsversuch, warum so viele Menschen in der heutigen Zeit von Schmerzen – insbesondere Rückenschmerzen – betroffen sind, für Sie logisch erscheint oder auch nicht!
Ein kurzer Ausflug in den modernen Büroalltag
Wir leben aktuell in einer Zeit, in der wir körperlich – bis auf wenige Ausnahmen – nicht mehr so stark gefordert werden. Im Vordergrund stehen heutzutage mehr geistige Aufgaben aufgrund der immer weiter fortschreitenden Digitalisierung in allen Bereichen des Lebens. Nehmen wir als konkretes Beispiel einen Büroarbeitsplatz in irgendeinem Dienstleistungsunternehmen (z.B. Bank, Versicherung o.ä.).
Angestrebt wird hier das papier- bzw. aktenlose Büro. Papiervorgänge (Korrespondenz, Akten etc.) werden eingescannt und immer mehr virtuell be-/verarbeitet. Früher konnten /mussten
die Mitarbeiter für die Erledigung Ihrer Vorgänge vom Arbeitsplatz aufstehen, sich eine oder mehrere Akten aus dem Archiv holen, an den Arbeitsplatz zurückkehren und die Unterlagen nach der Bearbeitung auch wieder dorthin zurückbringen.
Heute passieren die gleichen Arbeitsvorgänge, die vor Jahren noch „körperlich“ / „real“ ausgeführt worden sind, mit wenigen Mausklicks auf einer virtuellen Ebene; eingescannte Schriftstücke, zum Beispiel der Brief eines Kunden, wird dem Mitarbeiter per Mail zugeschickt, dieser virtuelle Brief wird dann auf einem separaten Bildschirm angezeigt und auf einem zweiten Bildschirm wird die virtuelle Akte bzw. das Verarbeitungsprogramm angezeigt und die Bearbeitung auf rein virtuelle Weise vorgenommen.
Die „körperbetonte Bearbeitung“ von früher in Form von
- Akte nehmen,
· mit dem Stift schreiben/markieren,
· in der Akten umblättern und stöbern,
· aufstehen, an den Schrank im Nebenraum gehen und sich eine
zusätzliche Akte zur Bearbeitung nehmen,
entfällt heutzutage immer mehr.
Stattdessen genügen heutzutage ein paar Klicks mit der Maus sowie das abschließende Verschieben der virtuellen Akte auf ein Laufwerk und der gleiche Arbeitsvorgang ist schnell und effizient erledigt. Die Zeit- und Kostenersparnis für das Unternehmen soll hier nicht angezweifelt werden. Im Fokus dieses Blogartikels steht jedoch der rückenschmerzgeplagte Mensch und ich möchte Ihnen die Idee nahebringen, dass Rückenschmerzen eventuell auch durch die fortschreitende Digitalisierung in allen Lebensbereichen verursacht werden können.
Ist der moderne Mensch genetisch an das moderne Leben angepasst?
Dieser kurze Ausflug in einen modernen Büroalltag soll verdeutlichen, dass die körperlichen Anforderungen des heutigen modernen Menschen – insbesondere im Berufsalltag – innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums (vielleicht innerhalb der letzten 20 Jahre) immer mehr abgenommen haben und mit Sicherheit auch in Zukunft immer mehr abnehmen werden. Soweit man der Evolutionstheorie Glauben schenken darf, ist der Mensch auf körperlicher Ebene als „Jäger & Sammler“ konzipiert. Zumindest auf der genetischen Ebene haben wir uns an die rasanten gesellschaftlichen Veränderungen innerhalb der letzten 10.000 bis 15.000 Jahre mit den Meilensteinen wie
- „Sesshaft werden und Landwirtschaft & Viehzucht betreiben“,
· „Industrialisierung“ und jetzt
· „Digitales Zeitalter / Informationsgesellschaft“
noch überhaupt nicht angepasst. Denn diese genetischen Anpassungen würden Millionen von Jahren dauern. Auf der einen Seite stehen geistig-virtuelle Aufgaben in der heutigen Zeit immer mehr im Vordergrund, auf der anderen Seite besitzt der heutige Mensch immer noch einen hochkomplexen Körper der für vielfältigste Aufgaben wie Laufen, Rennen, Klettern konzipiert ist.
Drei mögliche Trainingszustände
Neben den essentiellen körperlichen Grundbedürfnissen wie Luft, Wasser, Nahrung hat unser Körper auch das Bedürfnis „artgerecht“ bewegt zu werden, um auf allen Ebenen richtig funktionieren zu können. Wenn ich nun meinen Körper, wie von Mutter Natur vorgesehen, mit allen Bewegungsreizen versorge und angemessen trainieren, so schaffe ich die Rahmenbedingungen, dass er, gemeint ist der Körper, wachsen und gedeihen kann. So sollte es auch sein!!!!
Wenn ich hingegen meinen Körper überfordere, so komme ich ab einem gewissen Überforderungsgrad zu dem Punkt, wo der Verschleiß die Reparaturfähigkeit des Körpers übersteigt. Dauerhaft geht der Körper dann kaputt!!
Und wenn ich meinen Körper immer wenig benutze und vielleicht bestimmte Bewegungen oder Bewegungswinkel gar nicht mehr, so degeneriert er immer mehr als Ganzes oder in den nicht mehr ausreichend genutzten Bereichen. Und dieser letzte hier beschriebene Trainingszustand – die permanente tägliche Unterforderung des Körpers inklusive der damit verbundenen fortschreitenden Degeneration – ist nach dem Schmerzentstehungsmodell die Hauptursache für die meisten heute vorkommenden Schmerzen am Bewegungsapparat.
Warum reagiert der Körper mit Rückenschmerzen?
Wie im vorherigen Absatz ausgeführt, wird der moderne Mensch auf körperlicher Ebene immer weniger gefordert (eher unterfordert). Wir müssen uns jetzt vergegenwärtigen, dass wir unseren Körper vierundzwanzig Stunden am Tag – und das das ganze Leben lang – trainieren.
Aktuell, während Sie diesen Blog lesen, sitzen Sie vielleicht auf einem Stuhl vor Ihrem Rechner am Schreibtisch oder vielleicht auch auf Ihrer Couch zu Hause mit einem Tablet oder Smartphone in der Hand. Oder sitzen Sie vielleicht auch in der Bahn und vertreiben sich die Zeit bis zu Ihrem Ausstieg mit dem Surfen im Internet? Auch jetzt, in diesem Moment, trainieren Sie auch Ihren Körper und zwar vielleicht
- das Sitzen (am Schreibtisch, auf der Couch oder in der Bahn),
· das Halten des Tablets oder Handys
· das Schauen mit nach vorne gebeugtem Kopf.
Überlegen Sie bitte einmal, wie oft und wie lange Sie diese Positionen über die Tage / Wochen / Monate einnehmen, insbesondere Sitzen? Denn das, was Sie gerade (körperlich) tun ist auch eine Art von Training für Ihren Körper.
Der Körper, insbesondere die Faszien, passen sich dem täglichen Bewegungsverhalten immer mehr an und „spiegeln“ sich in Form & Haltung wieder. Besonders eine Position in der heutigen Zeit – und damit hätten wir auch den Übergang zum eigentlichen Thema „Rückenschmerzen“ – nimmt heutzutage immer mehr Überhand. Und das ist das Sitzen. Kennen Sie den Ausspruch „Sitzen ist das neue Rauchen!“.
Machen Sie sich doch einfach mal den Spaß und googeln Sie diesen Suchbegriff: „Sitzen ist das neue Rauchen!“
Sitzen und sitzen und sitzen
Bedingt dadurch, dass wir täglich überwiegend (körperlich inaktiv) geistig-virtuelle Aufgaben erledigen(beruflich wie privat), nehmen wir dafür meist eine sitzende Position ein. Im Schnitt kommen wir heutzutage auf 15 – 18 Stunden Sitzen bzw. Einnehmen einer sitzähnlichen Position (eingerechnet ist hier das Schlafen mit angezogen Beinen = Embryonalstellung = Sitzhaltung). Und da sich der Körper dem jeweiligen Bewegungsprofil (Sitzen) immer mehr anpasst, kommt es hierdurch zu entsprechenden Verkürzungen auf muskulär-faszialer Ebene. Betroffen ist hier insbesondere der Hüftbeugemuskel bzw. die vordere Körperstruktur (Bauch). Der Hüftbeuger ist an der Innenseite des oberen Oberschenkelknochens auf der einen Seite angebracht, geht durch das Becken hindurch und ist auf der anderen Seite an der Lendenwirbelsäule aufgehängt. Stellen Sie sich jetzt vor, was mechanisch passiert, wenn die vordere Körperstruktur immer mehr verkürzt? Der Rumpf würde nach vorne gezogen werden, die Rückenstrecker arbeiten permanent dagegen und es entsteht viel zu viel Dauerdruck auf den Bandscheiben, den Wirbelkörpern und den Facettengelenken (Wirbelgelenke) und es drohen evtl. Gleitwirbel, Bandscheibenschäden und Wirbeleinbrüche.
Die aufgeführten Folgen der muskulär-faszialen Spannungen bedrohen die jeweilige Körperstruktur. Ab einem gewissen „Gefährdungsgrad“ schaltet nun der Körper – aus Schutzgründen – auf Alarmschmerz (siehe Modell der Schmerzentstehung nach Liebscher & Bracht) im unteren Rücken (LWS-Bereich), um die schädigende Biomechanik des verkürzten Hüftbeugers und der Bauchmuskulatur zu verhindern.
Ursächliches Herangehen bei Rückenschmerzen
Im Rahmen einer Schmerztherapiebehandlung nach Liebscher & Bracht kann bereits in der ersten Behandlung geprüft werden, ob die Ursache der Rückenschmerzen muskulär-faszial bedingt sind, das heißt, dass ursächlich eine Verkürzung der vorderen Strukturen für die Rückenschmerzen verantwortlich ist. Wenn dem so ist, wird entsprechend behandelt und im Rahmen der Therapie der verkürzte Bereich durch die entsprechenden Engpassdehnungsübungen wieder weit und flexibel gestellt, sodass der Körper auf das sinnvolle Schutzprogramm „Schmerz“ nicht länger zugreifen muss.
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