Superfood und seine Tücken

Warum die Himbeere keine Banane mag

19. April 2024 von Conny Dollbaum-Paulsen

Das Wort Superfood ist...ein Marketingbegriff, dem es gelungen ist, sich als Ernst zu nehmende Lebensmittel-Kategorie in unsere Sprache und Essens-Gewohnheiten einzunisten. Wow!

Natürlich sind Nüsse, Beeren, bestimmte Saaten und Gemüse echte Vitaminwunder – daraus einen Begriff abzuleiten, der auf sehr viele verschiedene Lebensmittel zutrifft, die teilweise von weit her übers Meer geschippert werden, damit wir uns hierzulande den mega-gesunden Smoothie gönnen könne, ist aus verschiedenen Gründen fragwürdig.

Wikipedia sagt dazu:

Das Europäische Informationszentrum für Lebensmittel schreibt zum Thema Superfoods:

[…] und obwohl wissenschaftliche Studien oft positive gesundheitliche Wirkungen ergeben, lassen sich die Resultate nicht unbedingt auf die reale Ernährung übertragen.[1]“
Das Werben mit Superfood und ähnlichen Begriffen, die den Verzehr von Produkten mit gesundheitsfördernden Effekten in Verbindung bringen, ist gemäß Health-Claims-Verordnung der Europäischen Union verboten, solange eine Wirksamkeit nicht durch ein strenges Zulassungsverfahren bestätigt wurde.

Beispiel Beerenobst: Superfood Nummer 1 im Müsli

Beeren, also Himbeeren, Brombeeren, Johannisbeeren und Co sind echte Kraftpakete – Himbeeren enthalten u.a.

Außerdem finden sich in Himbeeren neben verschiedenen B-Vitaminen auch das Flavonoid Rutin, das als Antioxidans entzündungshemmend wirkt oder Polyphenol, das in arzneilich größerer Menge u.a. antiviral wirkt.

Superfood und seine Grenzen

Frisches Obst, Gemüse, Nüsse, Getreide, gute Öle, Milchprodukte und natürlich auch Fleisch sind superfoodige wunderbare LEBENS-MITTEL, lebendige Geschenke der Natur, die uns ernähren. Manche Früchte der Erde sind konzentriert nahrhaft, andere wirken eher sanft durch kleine Mengen, was diese nicht weniger wertvoll macht. Jedes Lebensmittel ist auf seine Weise ein Superfood, vor allem, wenn wir sie angemessen, also schonend zubereiten und sinnvoll zusammenstellen. Manche Inhaltsstoffe ergänzen sich auf wundersame Weise – so ist das einfache Knabbern einer Möhre vielleicht lecker, aber ohne eine Zugabe von Fett beinahe sinnlos, zumindest was die Aufnahme von Vitamin A und B angeht. Ergänze ich das Möhrchen durch Butter (beim Kochen) oder Olivenöl (im Salat), entfaltet sich der gesamte Reichtum der scheinbar schnöden Karotte wie von Zauberhand.

Ach du je, als wäre Leben nicht schon kompliziert genug, muss ich jetzt auch noch wissen, was ich wie kombiniere? Nö, vieles, was gut zusammenpasst, essen wir gewohnheitsmäßig, vieles ist in unseren Esskulturen fest verankert: Getreide oder rohes Gemüse und gute Öle, Gemüse mit bestimmten Gewürzen und Fett, Kartoffeln mit Ei, Müsli mit Sauermilchprodukten oder veganen Drinks – das passt alles gut.

Aber seit es jedes Obst das ganze Jahr über gibt, kombinieren wir wie selbstverständlich Lebensmittel wie Beeren, die es vorher nur zu bestimmten Jahreszeiten in der Region gab, auf nicht immer sinnvolle Weise. Bis vor wenigen Jahren gab es in unseren Breitengraden übrigens gar keine Bananen und Äpfel und Himbeeren nicht gleichzeitig.Wer regional-saisonal isst, muss viel weniger nachdenken, weil sich im Kreislauf der Jahreszeiten die meisten Lebensmittel wie von Zauberhand ergänzen; das haben wir, wie vieles ander auch, ziemlich durcheinander gebracht.

Zurück zur Himbeere und warum die keine Banane mag - dazu ein kleiner Ausflug in die Theorie:

Flavanole sind eine Untergruppe der oben schon genannten Flavonoide – dieser sog. Sekundäre Pflanzenstoff soll u.a. blutdrucksenkend wirken und zur Verbesserung der Herz- und Gefäßfunktion beitragen. So weit so gut. Blöderweise werden manche Inhaltsstoffe, siehe Möhrenbeispiel, aber nur aufgenommen, wenn sie mit bestimmten anderen Stoffen kombiniert werden. Schlimmer noch: manche Super-Food-Bestandteile können im Verdauungstrakt gar nicht aufgenommen werden, wenn sie mit bestimmten Gegenspielern gleichzeitig verzehrt werden. Das gilt z.B. für die Kombination von Flavonolen aus den Himbeeren mit dem Enzym Polyphenoloxidase (PPO), das in Äpfeln und Bananen das Braunwerden verhindert und dort in großer Menge vorhanden ist. Die guten Bestandteile der Himbeere in Form von Rutin können nicht wirken, wenn gleichzeitig PPO aufgenommen wird, wie dies im Müsli mit Äpfeln, Bananen und Himbeeren beispielsweise der Fall ist.

Regionales Superfood ist mega-gesund

Wer also das Müsli nicht mehr nur mit Apfel und Banane essen will, sondern Himbeeren ganzjährig dazu gibt, tut nicht nur der Umwelt wenig bis nichts Gutes, sondern auch sich selbst nicht.

Viel gesünder wäre es, die frischen Himbeeren ab Juni allein, ohne die Vergesellschaftung mit Banane oder Apfel zu genießen. Dann können sie ihre Super-Food-Qualitäten voll entfalten, auch, weil die Inhaltsstoffe nicht durch Verarbeitung (Trocknen oder Einfrieren), Lagerung oder unnötige Verpackung leiden. Fürs Müsli heißt das: entweder Beeren ins Müsli, oder Apfel und Banane, nicht beides zusammen.