Was ist ein Third Place?
Harmonie...
Dreiheiten haben sich bewährt - drei Dinge bilden oft ein gutes Ganzes, das weniger anfällig ist für Dysbalancen und Wirbelstürme. 1989 stellte der Soziologe Ray Oldenburg erstmalig den sogenannten Third Place vor – einen dritten Ort, den aufzusuchen neben dem eigenen Zuhause und dem Arbeitsplatz für Ausgleich und innere Balance sorgen sollte.
Seiner Definition nach sollen Third Places u.a. leicht und für alle erreichbar sein, sie sollten geselliges Beisammensein jenseits der sozialen Stellung unterstützen, ernste Themen und Diskussionen eher außen vor lassen, spielerische Leichtigkeit im Kontakt fördern und in der Ausstattung wenig aufwändig sein, um gut zu funktionieren. Seiner Meinung nach waren solche Orte die Kneipe nebenan, ein Caféhaus oder der Biergarten. Die Theorie ist aus verschiedenen Gründen vielfach kritisiert worden, u.a. sind die genannten Beispiele Orte des Konsums und damit nicht für alle gleichermaßen zugänglich – aber das soll hier nicht Thema sein. Vielmehr geht es darum, ob das Prinzip des Third Places heilsam und erforschenswert ist.
Third Places - Zugehörigkeit & Freiheit
Eine Generation vorher, also in den 1960iger und 70iger Jahren, gingen Männer in die Kneipe. Frauen eher nirgendwohin, weil Zuhause und Arbeitsplatz identisch waren. Dennoch gab es darüber hinaus zwei Felder, die für Erwachsene, Jugendliche und Kinder selbstverständlich funktionierten, ohne dass jemand sie extra benennen oder definieren musste: Vereine und Kirchengemeinden. Alle Aspekte von Oldenburg waren erfüllt und es gab vermutlich wenige Menschen, die nicht irgendwo zugehörten.
Wo gehen wir heute hin, wenn wir nicht Zuhause sein wollen oder können und nicht arbeiten?
Wo gehöre ich hin inmitten der Welt „da draußen“? Zugehörigkeit, was für ein wunderbarer und für viele ersehnter Zustand, dieses wohlbekannte, tief in uns verankerte Gefühl von „Ich gehöre dazu“, bin Teil von etwas Größerem, füge mich unverbindlich verbindlich ein. Anders als in der Familie, die wir nicht vollumfänglich frei wählen oder am Arbeitsplatz, siehe oben, sind wir jederzeit frei in der Entscheidung, unseren Third Place zu nutzen, wie es uns passt. Wir müssen nicht in die Kneipe gehen (aber können), die Chorprobe darf ausfallen und auch wenn wir nicht auf die Hundeweise gehen, ändert sich am Ort nichts – morgen, übermorgen oder nächste Woche sind alle wieder da; jedenfalls die, die da sind und diesen Ort zu einem guten Ort machen.
Vielleicht ruft sogar jemand an, eher: whatsappt und fragt, wo wir denn geblieben sind. Zu Third Places gehören „Stammbesucher:innen“, die durchaus wechseln können, aber dennoch eine Art stabil-flexiblen Kern bilden. So sind wirTeil von etwas, ohne zu eng eingebunden zu sein, treffen Menschen, mit denen wir etwas teilen, die uns wiedererkennen, mit denen wir ins Plaudern kommen über Wetter, Fußball oder Spargelrezepte. Spielplätze, Parkbänke, Kioske (Spaäts), Freibäder und ganz besonders Hundewiesen sind ausgesprochen gut Dritt-Platz-geeignet.
Third Places-Killer Corona
Corona hat alle "Orte" ziemlich durchgeschüttelt – Zuhause war es bei manchen furchtbar eng, bei anderen sehr einsam, Arbeitsplätze fielen weg, waren extrem stressig (Supermärkte, Krankenhäuser, Schulen) oder wurden ins Home-Office verlagert, was das Gefüge komplett kollabieren ließ. Unfassbar aber wahr, wir erinnern uns, dass mehr als 3 Menschen aus verschiedenen Haushalten nicht mal im Park spazieren gehen durften – Third Places waren ersatzlos gestrichen und viele davon haben sich von dieser Streichung bis heute nicht erholt. Die Orte des unverbindlich-vertrauen Zusammentreffens wurden zu scheinbaren Gefahrenquellen – wir haben trafen, wen wir kannten und mieden alle anderen. Oh my god...
Die Funktion der Third Places ist harmonisierend, ausgleichend, auch in Bezug auf das, was wir Zuhause und im Job zu stemmen haben. Statt in engen Funktionen zu agieren, wie Familie und Job das oft mit sich bringen eröffnen die Third Places freies Flotieren, spielerisches Sein verbunden mit einer inneren Gewissheit von Zugehörigkeit. Orte dieser Art sind deshalb unverzichtbar, Homo ludens, der spielende Mensch, lässt grüßen.
Wo ist dein Third Place?
Wie sieht es bei dir aus? Hast du einen oder mehrere Orte, die als Dritter Ort gelten könnten? Gehst du zum Yoga oder Singen, hast du ein Stamm-Café, eine Lieblings-Parkbank oder einen Verein, in dem du mit anderen locker-leicht zusammen bist? Wenn du im Home-Office arbeitest, verschwimmen die beiden ersten Orte oft auf ungünstige Art und Weise, so dass du ein Gefühl von Dauer-ON hast – gerade dann ist es gut, solche Orte zu kennen, die dir genau das richtige Maß an Kontakt, Freude und Freiheit geben. Wenn du in Care-Arbeit unterwegs bist und permanent dafür Sorge trägst, dass es anderen gut geht, ist der Thrird Place der perfekte Ausgleich – du bist einfach nur da und freust dich des Lebens. Und erholst dich von Verantwortung, Ernsthaftigkeit und Zuverlässigkeit.
Sowohl in Städten als auch auf dem Land tut sich einiges in diese Richtung: aus Kaufhäusern werden Treffpunkte, aus leerstehenden Geschäften Dorfläden; überall entstehen Initiativen, die genau das tun, was den Third Place so kostbar macht: sie bringen Menschen zusammen, die Lust haben, was zusammen zu tun.
In diesem Sinne: Lasst uns gute Dritte Orte schaffen...
Links zu Third Places
Definition Third Place von Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Dritter_Ort
Die Stadt als Entwicklungsraum für Third Places – mehr dazu vom Zukunftsinstitut:
https://www.zukunftsinstitut.de/zukunftsthemen/third-place-living-die-stadt-als-wohnlandschaft
Dritte Orte – gefördert vom Land NRW
https://mkw.nrw/kultur/foerderungen/dritte-orte